Rezension

Eine emotionale, mitreißende Liebesgeschichte voller Dramatik vor der authentischen Kulisse des späten 19. Jahrhunderts.

Ein ungezähmtes Mädchen - Simona Ahrnstedt

Ein ungezähmtes Mädchen
von Simona Ahrnstedt

Bewertet mit 5 Sternen

Bevor ich “Ein ungezähmtes Mädchen” von Simona Ahrnstedt zu lesen begann, hörte ich, dass die Geschichte für Fans von Jane Austen genau das richtige wäre und begann zu zweifeln, weil ich Austens Schreibstil eigentlich sehr anstrengend finde.

Um offen zu sein – durch die ersten 50 Seiten musste ich mich doch ziemlich quälen. Man braucht etwas, um ein Gefühl für die Zeit, das Ende des 19. Jahrhunderts, und die Themen, die damals in den gehobenen Kreisen eine große Rolle spielten, zu bekommen. Sobald man sich aber eingelesen hat, setzt auch langsam die Liebesgeschichte zwischen Beatrice und Seth ein und von da an fesseln Schreibstil und Story gleichermaßen.

Alle 43 Kapiteln sind in der dritten Person erzählt, wobei aber immer wieder genauer auf bestimmte Charaktere eingegangen wird. In erster Linie natürlich auf Beatrice, aber auch manchmal auf Seth und z.B. auf Vivienne, die in Frankreich lebt und bei der Beatrice später einige Zeit verbringt. Hauptsächlich spielt die Geschichte aber in Schweden, wobei unter den Kapiteln oft steht wo wir uns gerade befinden und in welchem Monat und Jahr.

Ich war sehr überrascht, als ich eigentlich nur kurz ein paar Seiten zum einschlafen lesen wollte, und schließlich bemerkte, dass mehr als eine Stunde vergangen und ich den Tränen nahe war. Die Geschichte verlief plötzlich so tragisch und dramatisch und ich hatte das dringende Bedürfnis ins Geschehen einzugreifen – denn mit nur wenigen Worten hätte Beatrice alles Unheil abwenden und ihre große Liebe, Seth, sofort heiraten können.

Stattdessen lügt sie aus einem bestimmten Grund, gibt dem Mann, den sie liebt einen Korb und fügt sich ihrem Schicksal, das so grausam ist, dass einem als Leser angesichts der Tatsachen teilweise richtig schlecht wird. Genauso wie man aber bei den schlimmen Ereignissen mitleidet, fühlt man in den Szenen, in denen sich Beatrice und Seth begegnen, beinahe selbst die Funken fliegen und die Schmetterlinge im Bauch flattern.

Neben dieser mitreißenden und berührenden Liebesgeschichte lernt man dann auch noch einiges darüber, was im späten 19. Jahrhundert an Meinungen vertreten war. Am gravierendsten wird in diesem Roman klar, dass emanzipierte Frauen noch sehr rar waren. Die allgemeine Auffassung der Herren lautete tatsächlich, dass Frauen körperlich nicht dazu gemacht seien um viel zu denken – und viele Frauen nahmen dies gerne an. Nicht so Beatrice, was ihr in “Ein ungezähmtes Mädchen” beinahe zum Verhängnis wird.