Rezension

Eine ergreifende Familiengeschichte

Der Hase mit den Bernsteinaugen - Edmund de Waal

Der Hase mit den Bernsteinaugen
von Edmund de Waal

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine Chronik der jüdischen Bankiersfamilie Efrussi

264 Netsuke. Japanische Miniatur- Schnitzereien aus Holz und Elfenbein, hergestellt, um zu lernen, was In- sich- kehren bedeutet, liegen in einer alten Vitrine des britischen Keramiktöpfers Edmund de Waal, Nachkomme der jüdischen Bankiersfamilie Ephrussi (neu angenomme Schreibweise), nachdem sie aus Odessa weggingen. Wie diese kleinen Kostbarkeiten in die Vitrine de Waals kamen, erzählt die berührende und aufwühlende Familiengeschichte.

Edmund de Waal zeigt, mithilfe seiner 264 Netsuke, das große Familienpanorama seiner Familie.
Die Rückreise zu den Ahnen beginnt bei Charles Ephrussi, der am 24. Dezember 1849 in Odessa geboren wurde, und am 30. September 1905 in Paris starb.
Charles Ephrussi war für Marcel Proust im Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ das Vorbild für den Protagonisten des Swann.
Als weiterer Autor wird Rainer Maria Rilke genannt, zu dem Elisabeth Ephrussi eine enge Brieffreundschaft verband.
Die Familie Ephrussi erwarb ihr riesiges Vermögen durch Getreideexporte und als international fungierendes Finanzunternehmen. Die Ephrussis wurden in einem Atemzug aufgrund ihres Reichtums mit der Familie Rothschild genannt. In Wien erbauten sie an der Ringstraße ein Palais, welches an Protz und Reichtum kaum zu überbieten war.
Die Familienmitglieder Ephrussi lebten in der ganzen Welt verteilt. Dadurch hatten sie auch hervorragende Familien- und Geschäftsbeziehungen weltweit.
Bis auf die Zeit des 1. Weltkrieges ging alles bis die 1930er, seinen normalen und geschäftigen Gang. Der größte Part der Familienchronik spielt in Wien.
Nachdem das kaiserlich- königliche Österreich fiel, gelang es den meisten Familienmitgliedern in nicht besetzte Länder zu flüchten.
Zum Schluß stellt sich Edmund de Waal die Frage: Darf man so in den Leben der Familie herumstöbern? Wären sie damit einverstanden gewesen? Hätten sie ihrer Lebensgeschichten zugestimmt?

Die Netsuke kamen über Japan nach Paris, wo sie einige Zeit verbrachten. Charles Ephrussi verschenkte sie als Hochzeitsgeschenk innerhalb der Familie in den Palais nach Wien, wo sie die längste Zeit in einer wunderschönen Vitrine als Spielzeug für die Kinder des Hauses fungierten. Als die Gestapo das Palais für sich in Anspruch rettete die Haushälterin Anna die Netsuke vor ihnen. Täglich sie einige von ihnen in ihrer Schürze, und versteckte sie in ihrer Matratze. Nach dem 2. Weltkrieg gelangten die Netsuke in einen kleinen Koffer nach Großbritannien. Von dort wieder zurück nach Japan, ihrem Heimatland. Zuletzt beschenkte ein Onkel Edmund de Waal mit den Netsuken. So kamen sie nach Großbritannien zurück, und werden weiterhin aufgrund ihrer Grazilität und besonderer Schönheit in einer Vitrine ausgelegt, bestaunt.

Mich hat das Buch mitleiden, und in eine Welt ziehen lassen, die sich kaum vorstellen lässt. Ein wenig schwierig fand ich jedoch die Beschreibungen der kunsthistorischen Darstellungen als auch die architektonischen Besonderheiten nachzuvollziehen.
Dennoch:
Ich kann es nur empfehlen.

Kurz zum Autor:
Edmund de Waal wurde 1964 in Nottingham/ Großbritannien geboren, und studierte in Cambridge. Er ist Professor für Keramik an der University of Westminster, und stellte u. a. im Victoria und Albert Museum, und in der Tate Britain aus, Er lebt mit seiner Familie in London.