Rezension

Eine Familienbande gegen die Welt

Niemals ohne sie - Jocelyne Saucier

Niemals ohne sie
von Jocelyne Saucier

Bewertet mit 5 Sternen

Trotz aller Düsterkeit ein fesselnder, leidenschaftlicher Roman, in einer vorzüglichen Sprache geschrieben.

Die kinderreiche Familie Cardinal kämpft sich durch den düsteren kanadischen Alltag. Der Familienvater, ein glückloser Erzsucher, und die ständig erschöpfte „Muttermaschine“ versuchen ihre 21 Kinder in den Griff zu bekommen. Die Nachkommenschaft liefert täglich brutale Kämpfe, um sich gewisse Privilegien zu sichern, mal einen guten Schlafplatz, mal etwas Besseres zum Anziehen, oder einfach mal, um das Sagen zu haben. Armut bestimmt ihr Leben. Die Cardinals verbindet dennoch eine seltsame Art der Liebe. Diese ähnelt oft mehr der Loyalität als einer offen zugegebenen, gegenseitigen Anziehung und bleibt bis zuletzt unberechenbar.

Sauciers Sprache ist überwältigend. Schlicht und kompakt fasst sie die komplizierten Tatsachen zusammen. Die überwiegend schäbigen Verhältnisse im Haus der Cardinals erscheinen ausdrucksstark und sogar die kleinsten Details werden sensibel erfasst: Die zügellosen Gewaltausbrüche der Jugendlichen, Randale, Einschüchterung und Demütigung, die sich aus ihrer rauen Umgebung ergeben und von ihren täglichen familiären Kämpfen ernähren. Auch der feindselige Wohnort, Norcoville, trägt zur Grauer erregenden Grundstimmung bei. Die Cardinals wachsen zu ungeschliffenen Gesetzlosen heran, mit einer Ausnahme: Die junge Angéle lernt ein anderes Leben, einen möglichen Ausweg kennen.

Die Spannung um das Schicksal der engelhaften Angéle bleibt konstant erhalten und die Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt. Einige Cardinal-Kinder liefern ihre Beiträge als wild durcheinander gewirbelte Erinnerungsfetzen aus der Ich-Perspektive. Während der Zeitsprünge und bei den 21 Tauf- und Spitznamen, die abwechselnd zur Verwendung kommen, fällt die Konzentration oft schwer. Ein Anreiz bleibt stets präsent; die Illusion einer verzweifelten Flucht aus einem kaum erträglichen Leben. Ob die Familienmitglieder je „aus dem Familienfoto heraustreten können“ bleibt die abermals wiederkehrende Frage.

Ein leidenschaftlicher Roman, der lange in Erinnerung bleibt, in einer vorzüglichen Sprache geschrieben.