Rezension

Eine Familiengeschichte, die das Herz in vielerlei Hinsicht tief und ehrlich ergreift

Heute schon für morgen träumen - Lori Nelson Spielman

Heute schon für morgen träumen
von Lori Nelson Spielman

Bewertet mit 5 Sternen

Emilia arbeitet in der Traditionsbäckerei ihrer Familie in Brooklyn, Bensonhurst. Ihre italienische Familie ist damals nach Amerika mit der Hoffnung auf ein besseres Leben ausgewandert. Ihre Mutter ist leider früh verstorben, weshalb sie und ihre Schwester Daria von Nonna Rosa aufgezogen wurden, die das Sagen in der Familie hat. Emilia ist eine harmoniebedürftige junge Frau, die unter Rosa kuscht und auch alles für ihre Schwester stehen und liegen lässt, welche sich auch nicht gerade freundlich ihr gegenüber verhält. Dann erreicht Emilia ein Brief ihrer Großtante Poppy, die sie und ihre Cousine Lucy mit auf eine Reise durch Italien nehmen will. Besonders Rosa ist nicht von dieser Idee begeistert, die Emilia von jeher den Kontakt zu ihrer Schwester untersagte. Erstmals erfährt Emilia auch, dass Poppy damals in ihrer Trauer um den Verlust ihres eigenen Kindes die Tochter ihrer Schwester, also Emilias Mutter, entführt haben soll, was Rosa ihr bis heute nicht verzeiht. Doch Poppy schafft es mit ihrem positiven Wesen Emilia von der Reise zu überzeugen, die Poppy an ihrem 80. Geburtstag vor der Kathedrale Ravello beenden will. Cousine Lucy ist anfangs wenig begeistert, doch Poppys Vorhaben, den "Fluch" der Zweitgeborenen der Familie alleinstehend zu bleiben, brechen zu können, überzeugt sie schließlich doch. Die drei Frauen erleben nicht nur eine wunderbare Reise durch Italien, sondern auch eine Reise in die Vergangenheit.

Die Figuren haben mir bis auf Rosa und Daria alle gefallen, obwohl sich die Einstellung zu Daria später auch noch ändert. Das Gefühl einer italienischen Großfamilie wird sehr gut vermittelt und ich konnte mir alle lebhaft vorstellen - angefangen über die graue Maus Emilia, die aber von Charakterstärke zeugt, über die schräge, lebenslustige Lucy, den ebenso lieben Onkel Dolphie in seinem Frisiersalon bis hin zu dem sympathischen Matteo, der seit Ewigkeiten in Emilia verknallt ist. Poppy habe ich von Anfang an am meisten in mein Herz geschlossen. Sie ist trotz ihres Alters erfrischend jung geblieben, schonungslos ehrlich, lustig und inspirierend. Sie hat so viel erlebt und vermittelt den Mädchen wunderbare Lebensweisheiten:

"Ihr, meine Lieben, seid noch in der Produktionsphase eures Films. Macht ihn spannend!“

Durch Poppys Gegenwart blühen die Mädchen auf ihre ganz eigene Weise auf, stehen zu sich selbst und für sich sein und erleben schließlich selbst, was Poppy meinte, als sie sagte: "Solange du nicht weißt, wer du nicht bist, weißt du auch nicht, wer du bist."

Während dieser Reise entdecken sich die Mädchen aber nicht nur selbst, sondern lernen auch Poppys Leben kennen und warum es ihr so wichtig, ist, dass sie an ihrem 80. Geburtstag unbedingt vor der Kathedrale stehen müssen. Dieser Abschnitt aus Poppys Leben ist herzzerreißend und man fiebert mit, ob sie dieses Ziel erreichen kann, denn Poppy bleibt nicht mehr viel Zeit.

 

Das Buch überrascht mit Wendungen in vielerlei Hinsicht, die ich nicht erwartet habe. Ich möchte gar nichts verraten oder etwas vorwegnehmen. Mich hat Poppys Familiengeschichte einfach sehr bewegt und stellenweise fassungslos und erschüttert zurückgelassen, sodass ich großen Respekt vor dieser starken, herzensguten Frau habe. Schon lange habe ich nicht mehr mit Figuren in einem Buch so gelitten, gehofft und geteilte Freude empfunden. Eine wirkliche Achterbahnfahrt der Gefühle.

Poppy verfolgte mit der Reise einen ganz besonderen Plan, der alle Menschen, die sie liebt, zu ihrem eigenen, aber auch gemeinsamen Glück und Happy End führt. Es freut mich so sehr, dass ihr Plan aufgegangen ist, sodass man das Buch mit einem beruhigten und glücklichen Gefühl schließen kann. Aus einer traurigen Vergangenheit schuf Poppy eine umso schönere Zeit und Zukunft für ihre Lieben und für neue Kapitel in ihrem Leben. In keinster Weise hatte ich dabei das Gefühl, dass Handlungsstränge unrealistisch oder kitschig sind. Der Zauber Poppys, der sich durch das ganze Buch zog, fügte alles auf eine wunderbare Weise zusammen und machte die Geschichte rundum perfekt.