Rezension

Eine Familientragödie die es in sich hat

Fegefeuer - Sofi Oksanen

Fegefeuer
von Sofi Oksanen

Bewertet mit 4 Sternen

Fegefeuer spielt in Estland im Jahr 1992. 

Die alte Bäuerin Aliide Truu findet in ihrem Garten ein Bündel, welches sich als eine junge Frau herausstellt. Bei der jungen Frau handelt es sich um Zara, welche vor ihren Zuhältern geflüchtet ist, doch sie ist nicht durch Zufall bei Aliide gelandet, sie vermutet das es sich bei Aliide um ihre Tante handeln könnte. Aliide, die nicht ahnt das Zara ihre Nichte ist, ist nicht begeistert von der benommenen Frau in ihrem Garten, zu letzt hatten sich viele Ganoven bei ihr rumgetrieben. Letztendlich nimmt sie jedoch Zara mit in ihr Bauernhaus.  Beide Frauen lernen sich etwas kennen und nach und nach wird die düstere und tragische Vergangenheit, so wie ihre Familiengeschichte aufgedeckt.

Das Buch habe ich mir besorgt weil ich die Familientragödie ansprechend fand und mich wirklich interessiert hat worum es letztendlich geht und ich wurde wirklich nicht enttäuscht.

Die Geschichte wird aus Sicht eines personalen Erzählers dargestellt, erstmal fand ich es etwas gewöhnungsbedürftig, das lag aber sicherlich daran das ich zuletzt nur Ich-Erzählungen gelesen hatte und mich somit erstmal wieder umstellen musste. Der Schreibstil von Frau Oksanen gefällt mir insgesamt gut, allerdings gab es des öfteren sehr lange verschachtelte Sätze bei denen ich wirklich dachte: "Hat der Satz auch noch ein Ende?"
Außerdem war mir manchmal einiges etwas zu detailliert beschrieben, wodurch ich mir zwar alles ganz genau vorstellen konnte, allerdings kam mir dadurch manchmal etwas sehr in die Länge gezogen vor und es gab auch einige Geschehnisse die wollte ich mir einfach so genau gar nicht vorstellen. Da Zara zur Prostitution gezwungen wurde und auch Aliide schlimme Gewalttaten über sich ergehen lassen musste in der Vergangenheit, kann sich sicherlich jeder vorstellen von was für Geschehnissen ich spreche.
Mir haben die Rückblenden in die Vergangenheit von Aliide und Zara wirklich sehr gut gefallen, so wurde nach und nach die ganze Familientragödie aufgedeckt und man konnte auch nachvollziehen warum in der Gegenwart Aliide und Zara so handeln wie sie eben handeln.

Aliide und Zara sind in diesem Buch die Hauptprotagonisten, es treten auch viele Nebenfiguren auf, von denen die meisten wirklich wichtig für die Entwicklung der Geschichte sind,z.B Ingel und Hans.
Allide lernen wir zu Anfang als eine alte, starke und sehr misstrauische Frau kennen, bei der man ohne Zweifel am Verhalten merkt das sie vom Land kommt und in der Vergangenheit scheinbar viel mit machen musste. In den Rückblenden dann lernen wir ihr jüngeres Ich von damals kennen und erleben die Entwicklung der Familiengeschichte und all die schlimmen Dinge die der Familie wiederfahren sind mit. Bei ihrem jüngeren Ich lernen wir eine ganz andere Aliide kennen, eine mit wirklich bösen Seiten , mit all den schmutzigen Details und Taten aus ihrer Vergangenheit und glaubt mir, das sind so einige. Aliide hat zwar viele wirklich schlimme Dinge in der Vergangenheit erlebt, aber selbst auch genug schlimmes getan, mehr möchte ich gar nicht sagen, lest am besten selbst und entscheidet ob ihr ihre Taten nachvollziehen könnt oder nicht, ich sage nur das sich wirklich große Abgründe auftun, die Liide zu dem gemacht haben was sie heute ist.
Zara, Aliides Nichte, musste auch viele schlimme Dinge erleben, so wurde sie verschleppt und zur Prostitution gezwungen sowie misshandelt, auch hier musste man all die schlimmen Erlebnisse mit ihr teilen, die teilweise wirklich für mich etwas zu detailliert beschrieben wurden. Zara erleben wir als sehr verschrecktes und ängstliches Mädchen, was bei dem Erlebten natürlich kein Wunder ist. Ihr sehnlichster Wunsch ist wieder frei zukommen und herauszufinden ob Aliide wirklich die Schwester ihrer Oma Ingel ist und was eigentlich in der Familie vorgefallen ist.

Ich fand das Buch wirklich interessant, man lernt auch viel geschichtliches, allerdings kann ich mir vorstellen wenn man sich mit der Zeit von 1945-1956 nie auseinandergesetzt hat kann es etwas schwer sein sich rein zu finden. Es war leider nie so das ich voller Spannung verfolgt habe wie es weiter geht, trotzdem wollte ich gerne wissen wie es weiter geht, da ich als Leser wirklich gerne nachvollziehen wollte warum in dem Buch manche Dinge so gekommen sind wie sie eben gekommen sind. Vorallem von dem Charakter Aliide war ich sehr überrascht, ich habe am Anfang wirklich nicht damit gerechnet was sie in der Vergangenheit so getan und erlebt hat und auch das Ende habe ich so nicht erwartet. Ich würde sagen das das Buch nichts für zart besaitete ist, da eben nichts geschönt wird. Dennoch kann ich das Buch allen anderen empfehlen.

Das Buch ist wirklich lesenswert, ich konnte viele geschichtliche Dinge mitnehmen mit denen ich mich vorher eher weniger befasst hatte. Außerdem handelt es sich hier um eine wirklich gut durchdachte und nichts beschönigende Familientragödie, die so hätte wirklich passiert sein könne