Rezension

Eine farbenprächtige Saga voller Spannung und atmosphärischer Berliner Geschichte der 1920er Jahre.

Fräulein Gold. Schatten und Licht - Anne Stern

Fräulein Gold. Schatten und Licht
von Anne Stern

Bewertet mit 5 Sternen

Hulda Gold – nah am Leben, nah am Tod.
Berlin, 1922. Die Stadt brodelt und mittendrin Hulda. Hulda Gold war kein Mädchen wie die anderen, dachte Bert und schaute ihr aus seinem Zeitungskiosk, einem kleinen Pavillon, entgegen. Wie sie über den Winterfeldtplatz kam, nicht schlendernd, sondern rauschend, das machte Eindruck auf jeden der sie sah. Eine schmale, hohe Gestalt, fast zu groß, weshalb sie die Schultern wohl eine Spur krümmte, mit knielangem Rock, grauer Bluse und der roten Filzkappe auf dem Bubikopf. So bahnte sie sich ihren Weg durch die Buden und Stände, schlug einen Haken um einen ausladenden Blumentopf am Marktstand von Erika Grünmeier und hielt direkt auf sein Fenster zu. Bert rückte seine seidene Fliege zurecht und schmunzelte über sich selbst. Ein junges Ding wie Hulda beeindruckte ihn derart? Er könnte ihr Vater sein, beinahe ihr Großvater. Aber waren nicht alle hier am Platz ein bisschen verliebt in sie? Hulda Gold ist Hebamme, clever, unerschrocken und im Viertel äußerst beliebt. Das Schicksal der Frauen liegt ihr besonders am Herzen. Zumal sie bei ihrer Arbeit nicht nur neuem Leben begegnet, sondern auch dem Tod. Im berüchtigten Bülowbogen, einem der vielen Elendsviertel der Stadt, kümmert sich Hulda um eine Schwangere. Die junge Frau ist erschüttert, weil man ihre Nachbarin tot im Landwehrkanal gefunden hat. Angeblich ein tragischer Unfall. Aber wieso interessiert sich der undurchsichtige Kriminalkommissar Karl North für den Fall? Und weshalb fühlt sich Hulda von ihm so angezogen? Sie stellt Nachforschungen an und gerät dabei immer tiefer in die Abgründe einer Stadt, in der Schatten und Licht dicht beieinander liegen. Raffinierter Mord - interessante Geschichtsstunde. Schon beim lesen der Leseprobe zu diesem Roman, habe ich mich in dieses Buch verliebt und festgestellt dies ist eine großartige neue historische Krimireihe, die mit einer guten Mischung aus kriminalistischer Spannung, zarter Liebesgeschichte und authentischer zeitgenössischer Kulisse der 1920er Jahre überzeugt. Und ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil, diese Geschichte ist absolut lesenswert!! Vor allem wenn man so wie ich ein Fan von Volker Kutscher und natürlich von "Babylon Berlin" ist. Was diesen Krimi auszeichnet, ist der sorgfältig recherchierte, bis ins Detail stimmige historische Background und die authentische Atmosphäre. Die Autorin führt den Leser/die Leserin in ein unruhiges Berlin in den 20'er Jahren. Das Stadtbild ist gezeichnet von Arbeiteraufständen und Straßenkämpfen, die Inflation ist extrem hoch. Die Bevölkerung leidet unter den explodierenden Lebensmittelpreisen. Vor diesem authentisch und detailreich geschilderten Hintergrund entsteht ein spannender und sehr solider Krimi. Die "Goldenen 20ziger", und dann noch ein Krimi, dafür bin ich immer zu haben. Wer alle Krimis von Volker Kutscher und seiner Figur Gereon Rath schon weg geschmökert hat, hat in Karl North und seinen Kollegen eine schöne Alternative gefunden. Auch hier: Berlin, auch hier: 20er Jahre, auch hier: viel Flair, Verbrechen, Tod. Vielleicht nicht ganz so düster. Mordermittlung vor ca. 90 Jahren, ohne die Hilfe digitaler Medien oder anderer Technischer Unterstützung! Und das klappt! Spannung bis zur letzten Seite. Ein gelungener, dichter, logisch aufgebauter Krimi aus dem damaligen Berlin. Scharfsinnige Ermittlungen ohne digitale Medien - auch das klappt! Bildreich und lebhaft wird das damalige Leben beschrieben. Gut erzählter und spannender Krimi aus dem Berlin der 20er Jahre. Tolle Story, nicht nur für Berlin Freunde. Genau gezeichneter Nostalgiekrimi. Empfehlenswert.