Rezension

Eine filmreife Biografie

Letzte Spur Berlin - Marty Karbassion

Letzte Spur Berlin
von Marty Karbassion

Buchbesprechung zu »Letzte Spur Berlin« von Marty Karbassion

Diesen autobiografischen Roman habe ich mir selbst geschenkt, weil mir die Geschichte unglaublich nahe ging. Die 516-seitige, gebundene Ausgabe mit der EAN 978-3-750-45185-8 kostet 22.99 € und erschien am 25. Februar 2020 bei Books on Demand. Die auf Persisch geschriebenen Tagebucheinträge wurden von Sepideh Safiaryan ins Deutsche übersetzt.

Es ist ein warmer Sommertag im August 1988, als Mehdi Karbassion ein allerletztes Mal seine Wohnung in West-Berlin betritt. In Eile versteckt er seinen Ausweis und lässt damit sein altes Leben hinter sich. Ein Leben, das mit seiner dramatischen Flucht aus dem Iran Anfang der sechziger Jahre in Deutschland begann. Vor der Haustür steigt er mit seiner neuen Partnerin und zwei angeblichen Familienmitgliedern in das Auto seines besten Kumpels, welcher ihn zum Grenzübergang an der Bornholmer Straße fährt. Dort angekommen, verabschiedet er sich nach einem kurzen Gespräch, wobei er auf halbem Wege plötzlich einen dunkelblauen Pass hervorholt. Er dreht sich noch einmal um und winkt seinem Freund aus der Ferne zu, bevor er auf der anderen Seite der Mauer in Ost-Berlin für immer verschwindet. 28 Jahre später nimmt sein Sohn die verlorene Fährte des vermissten Vaters auf. Er rekonstruiert dessen Leben anhand zurückgelassener Tagebücher, spürt alte Weggefährten auf und bringt dabei Dinge ans Tageslicht, die bis zum Geheimdienst führen.

 

Meinung

Nachdem ich zu oft von selbst verlegten Büchern enttäuscht wurde, habe ich mich auf den Kauf dieses Buches eingelassen, weil ich von der professionellen Vermarktung angetan war. Auf dem Cover ist das Gesicht des Mannes abgebildet, dem das Buch gewidmet ist: Der seit 1988 vermisste Mehdi Karbassion, Vater des in Berlin lebenden Autors Marty Karbassion.

Dieser autobiografische "Krimi", wie ihn Marty selbst einordnet, hat mir sehr imponiert. Obwohl man merkt, dass er kein Schriftsteller im herkömmlichen Sinne ist, was hier auch absolut nebensächlich ist, gefiel mir der liebevolle und eindrucksvolle Ton. Der Schreibstil ist zu Beginn etwas eigen, reift aber mit jedem Kapitel sowie mit dem Protagonisten. Der Autor schafft es irgendwie, dass der Leser seinen Vater begleitet und immer ganz nah bei ihm ist. Die Geschichte hat mich emotional dermaßen aufgewühlt und mitgenommen, dass ich immer wieder den Tränen nah war. Es ist die unfassbare Ungerechtigkeit, die Strapazen, die mich körperlich und mental mitleiden ließen und die Hochachtung vor dem Autor, dass er die Suche nach seinem Vater zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat. Die Energie, die Marty Karbassion in dieses Projekt gesteckt hat, ist enorm. Davor habe ich ganz großen Respekt. Ich weiß selbst wie es ist, ohne Vater aufwachsen zu müssen, nur mit dem Unterschied, dass ich meinen Erzeuger nicht im Geringsten vermisst habe (lach). Jedenfalls hat mich das Gelesene noch tagelang beschäftigt. So sehr, dass ich dem Autor von ganzem Herzen wünsche, dass diese SEINE Geschichte verfilmt wird. Das sage ich nicht nur so daher, ich drücke ihm wirklich alle Daumen, die ich habe - zur Not leihe oder kaufe ich mir noch welche!

 

Fazit

Wer zwischen Fiktion und Realität unterscheiden kann und selbst schon einmal den einen oder anderen Stolperstein in seinem Leben aus dem Weg räumen musste, oder Opfer von Ungerechtigkeit geworden ist, der wird dieses Buch zu schätzen wissen und meine Meinung verstehen. 5 Sterne und eine glasklare Leseempfehlung!

 

Gut zu wissen!

Marty Karbassion wurde am 18.09.1981 in Ost-Berlin geboren und wuchs in West-Berlin als zweitältester Sohn von vier Geschwistern auf. Seit seiner Kindheit träumt er davon, seinen Papa zu finden, welcher im August 1988 spurlos verschwand. Im Alter von 18 Jahren fasst er einen Entschluss und reist alleine in den Iran, wo seine über zwanzig Jahre lang andauernde Suche schließlich begann.

 

 

© 08/2020 MAD-Moiselle  |  Alle Angaben sind ohne Gewähr.