Rezension

Eine Fluchtbiografie

Der Sänger
von Lukas Hartmann

Bewertet mit 4 Sternen

Joseph Schmidt war einer der berühmtesten Tenöre seiner Zeit. In den 1930er Jahren konnte man seine Auftritte auf der Bühne und im Film bewundern. Schmidt war den Frauen immer sehr zugetan, ein kleiner Mann, der gerade 1 Meter 54 maß, mit einer großen Stimme. Joseph Schmidt stammte aus der damaligen Bukowina. Joseph Schmidt war Jude. Doch es ist keine Künstlerbiografie, die Lukas Hartmann schreiben wollte. Es ist die Geschichte einer Flucht vor dem wahnsinnigen Naziregime.

Erschöpft und erkrankt gelingt Schmidt zwar noch illegaler Weise die Einreise in die Schweiz. Doch seine Prominenz hilft ihm nicht, es hat viel eher den Eindruck, dass gerade wegen seiner Berühmtheit an ihm die Schweizer Bürokratie ein Exempel statuieren möchte.

Es ist gar nicht so sehr, das Schicksal des Sängers, das für mich diesen Roman lesenswert machte. Schmidt macht es einem auch nicht immer leicht, ihn zu mögen. In vielen Dingen wirkt er so theatralisch und lebensfremd, als wäre die Welt noch immer seine Bühne. Es ist viel mehr die zeitlose Fluchtthematik, die Hartmann präsentiert, die Ungerechtigkeit, die geschürten Ängste und Vorurteil vor dem Unbekannten. Der Mensch, der zum Flüchtling degradiert wird, dem man seine Identität nimmt in der Masse der anderen Flüchtlinge. Für Schmidt übrigens ein doppelter Identitätsverlust, musste er nicht nur das Leben, das er kannte aufgeben, seinen Wohlstand, seine Familie. Schmidt verliert auch was in ihm steckt, seine Stimme. Zurück bleibt ein Niemand, entwurzelt, illegal, ringend um Würde und Menschlichkeit.