Rezension

Eine gelungene Fortsetzung

Elsas Glück -

Elsas Glück
von Beate Maly

Bewertet mit 5 Sternen

Man schreibt das Jahr 1928 und im Palais Sonnstein leben drei Generationen der Familie Sonnstein unter einem Dach: Mathilde, die Matriarchin, die dem Kaiserreich nachtrauert und ein strenges Regiment führt, der verbitterte Simon, der den Familienbetrieb übernommen hat und Jakob, dem Facharzt für Lungenheilkunde, der traumatisiert aus dem Großen Krieg gekommmen sit, mit Ehefrau Lotte, die in ihrer Jugend als Verkäuferin im Bergsportgeschäft der Mizzi Langer-Kauba gearbeitet hat, sowie deren inzwischen erwachsenen Kindern Elsa und Conrad. Nach wie vor hat „man“ Personal, wenn auch nicht so viel wie unterm Kaiser.

 

Conrad hat seinem Vater zuliebe Medizin studiert, obwohl er das Leid der Kranken nicht ertragen kann, denn viel lieber ist er, wie seine Mutter, in den Bergen.

 

Elsa studiert Psychologie und Pädagogik und ist den modernen Ideen in der Erziehung der Kinder aufgeschlossen. Um bei den Studienkollegen nicht aufzufallen, verschweigt sie ihre Herkunft. Im Zuge ihrer Ausbildung muss sie in der KÜST, der neu geschaffenen Kinderübernahmestelle der Stadt Wien, hospitieren und lernt Werner kennen. Werner wurde anlässlich der Schuleinschreibung seiner Mutter abgenommen, weil sie nach dem Tod ihres Mannes Arbeit bzw. Wohnung verloren hat und anschließend obdachlos geworden ist.

 

Gemeinsam mit Studienkollege Moritz Grün, verhilft sie den Heimkindern im Schloss Wilhelminenberg zu ein paar fröhlichen Stunden. Doch während sie Moritz nur freundschaftliche Gefühle entgegenbringt, scheint Otto, ein überzeugter Sozialdemokrat und Reporter, ihr Herz zu gewinnen. Doch als sie ihn bittet, gemeinsam mit ihr nach Werners Mutter zu suchen, zeigt Otto sein wahres Gesicht, das alles andere als sozial eingestellt ist.

 

Enttäuscht reist sie Hals über Kopf an den Attersee zurück, wo ihre Tante in einer lesbischen Beziehung lebt. Die Überraschung ist groß, als sie dort auf einen behinderten jungen Mann trifft, der ein streng gehütetes Familiengeheimnis ist.

 

Meine Meinung:

 

Dieser historische Roman ist der zweite Teil der „Sonnstein-Trilogie“. Schon im ersten Band („Lottes Träume“) bekommen wir es mit einer starken Frau zu tun: Lotte, Elsas Mutter.

 

Diesmal steht eben Elsa im Mittelpunkt, ebenso stark und dickköpfig wie klug sucht sie ihr privates und berufliches Glück. Wir begegnen alten Bekannten wie Mizzi Langer-Kauba und anderen historischen Persönlichkeiten.

 

Das Buch stellt sich und seine Protagonisten vor sozialkritische Fragen: Ist es noch zeitgemäß, Personal zu haben oder ist es auch Lotte und Elsa zumutbar, Arbeiten im Haushalt zu verrichten? Mathilde ist strikt dagegen, dass die „Herrschaft“ also Mitglieder der Familie Sonnstein auch nur irgendeinen Handgriff im Haushalt tun. Das führt zu der komischen Situation, dass, nach der Kündigung der Köchin, nur mehr zwei Gerichte auf den Tisch kommen: Kraut- oder Schinkenfleckerl.

 

Daneben kommen auch die Mitglieder der Sozialdemokraten nicht ganz so gut weg. Otto verabscheut Arbeitslose, ohne sich näher zu informieren, warum die Menschen ihre Arbeit verloren haben. Für ihn sind sie Gesindel und Arbeitsscheue, die man am besten hinter Gitter bringt. Eine günstige Wohnung sollen nur jene erhalten, die Arbeit haben und in die Partei eingetreten sind. So bricht er auch eine Lanze für die Kinderheime, in die Kinder aus desolaten Verhältnissen eingeliefert werden. Wie man (heute) weiß, ist weder die KÜST noch das Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg ein Hort des liebevollen Umgangs mit Kindern, eher das Gegenteil.

 

Weiters werden die traumatisierten Kriegsteilnehmer, die krank an Körper und Seele heimgekehrt sind, thematisiert. Stellvertretend für diese Gruppe ist Jakob Sonnstein, der mitansehen musste, wie zahlreiche seiner Kameraden in den Dolomiten bei Lawinenabgängen ums Leben gekommen sind.

 

Auch die ungewöhnliche Lebensweise von Elsas Tante kommt zur Sprache. Man tuschelt hinter deren Rücken, das gute Geld nimmt man allerdings gerne.

 

Diese vielen Aspekte und Einblicke verdichten sich zu Weihnachten bzw. zu Chanukka einem dramatischen Höhepunkt.

 

Beate Maly hat mit diesem Roman einen ziemlich authentischen Bericht der Zeit um 1928 abgegeben. Die wirtschaftliche Not, die politischen Umwälzungen und der stets stärker werdende Antisemitismus spielen ebenso eine Rolle wie die Abscheu vor Behinderungen aller Art (auch wenn sie die eigene Familie betreffen) wie das Skilaufen und ein wenig Romantik.

 

Fazit:

 

Eine gelungene Fortsetzung der Familiengeschichte der Sonnsteins, der ich gerne 5 Sterne gebe und mit Spannung auf den dritten Teil warte.