Rezension

Eine Geschichte abseits von richtig und falsch

We Are Like the Sea -

We Are Like the Sea
von Marie Niebler

Bewertet mit 4.5 Sternen

Manche Gefühle gleichen dem Wellengang, andere sind tiefer als der Ozean – WE ARE LIKE THE SEA vereint sie alle in einer berührenden Liebesgeschichte

„Verloren zu sein ist kein schönes Gefühl. Es ist einsam, schmerzhaft. Das habe ich in meinem Leben gelernt. Aber mich in ihm zu verlieren macht mich auf seltsame Art und Weise wieder ganz.“

Hätte Lavender eine andere Wahl, wäre sie wohl nie mehr nach Sointula zurückgekehrt. Zurück auf die Insel, die bildlich für all die Ängste und Schuld steht, die Lavender seit Jahren mit sich herumträgt. Aber Lavender hat keine andere Wahl und so muss sie sich an den Ort wagen, wo ihr nichts als Verachtung entgegengebracht werden wird. Verdiente Verachtung.
Umso verwunderter ist Lavender, als es anders kommt. Lavender findet schneller Anschluss als gedacht. Nur nicht bei diesem einen Mann, der ihr von der ersten Sekunde an nicht mehr aus dem Kopf ist. Der Mann, der sie als einziger für die Person, die sie ist, verurteilt. Und so sehr Lavender ihn versteht, würde sie alles dafür tun, das Jonne ihr vergibt…

WE ARE LIKE THE SEA ist nicht nur ein poetisch tiefgründiger Titel für eine Liebesgeschichte, er ist auch der Titel für eine poetisch tiefgründige Liebesgeschichte. Das Meer ist tief, wo wir es nicht vermuten und flach an Stellen, die wir gefährlicher einschätzen. Das tiefe Blau des Meeres ist nie gleich, kann sich schneller und öfter ändern als man denkt. Ebenso variabel ist seine Strömung, die Erscheinungsform. Mal sind es unentdeckter Strudel, die einen in die Tiefe reißen. Dann sind es meterhohe Wellen, die viel zu viel unter sich vergraben. Aber es gibt eben auch die Zeiten, in denen man friedlich am Strand sitzt oder sich ruhig auf der Wasseroberfläche treiben lässt.  Und egal, was passiert: Das Meer ist immer da. Es mag bei Ebbe mal verschwunden sein, aber dafür ist es absolut sicher, dass es zurückkehren wird. Immer und wieder.
Auf eine metaphorische Weise beschreibt das alles Jonne und Lavenders Geschichte – ihre Liebesgeschichte.

Die Handlung legt einen mitreißenden Start hin und man ist direkt im Geschehen drin. Schon nach wenigen Seiten bietet das Buch kribblig-warme Gänsehautmomente. Es ist humorvoll und süß - nur um dann eine 180-Grad-Drehung hinzulegen.
WE ARE LIKE THE SEA ist ein sehr tiefgründiges Buch, das eine große Palette an Gefühlen bietet – der Großteil von ihnen hat jedoch etwas Schweres, Trauriges. Die im Buch behandelten Themen gehören zum Leben dazu und sind entsprechend authentisch und berührend. Trauer ist unberechenbar. Schuld ist erdrückend. Zweifel stechend. Vergebung manchmal unmöglich. Es ist alles so schwierig – wie soll zwischen dem also etwas so Schönes, Buntes wie Hoffnung und Liebe entstehen?

Lav und Jonne müssen sich genau dieser Frage stellen. Lavender, die nach Mut und Stärke sucht und dabei nicht einmal weiß, ob ihr das erlaubt sein sollte. Jonne, der immer und für jeden hilfsbereit ist, nur er selbst findet einfach nicht die Hilfe, die er braucht.
Ich habe beide Protagonisten sehr schnell und sehr intensiv ins Herz geschlossen. Lavender, weil sie gezeigt hat, dass Unsicherheit kein Hindernis ist. Jonne, weil er der „herzensbeste“ Mensch ist, den man sich vorstellen kann.
Besonders die Chemie zwischen den beiden habe ich genossen. Obwohl – oder womöglich weil - diese lange nur aus vorsichtigem Ausweichen und Streitigkeiten besteht. Lavender und Jonne schleppen einiges mit sich herum und brauchen daher Zeit. Die Autorin hat ihnen genau diese gegeben.
Der Roman ist daher nicht der Wahnsinns-Pageturner, aber das ist okay. Die Handlung gleicht den Wellen - mal flacher, mal mitreißender. Manchmal wirbelt sie einen herum oder jagt einem eine Mischung aus Angst und Sorge ein und somit Tränen in die Augen. Am Ende wurde mir klar, dass Jonne und Lavenders Geschichte nicht hätte besser erzählt werden können.

Mein Fazit:

WE ARE LIKE THE SEA ist ein überaus gelungener Liebesroman mit einer Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Indem er es den Leser praktisch miterleben lässt, beweist der Roman, dass es bei manchen Entscheidungen nicht darum geht, ob sie richtig oder falsch waren. Es geht nicht um Gefühle, sondern ums Fühlen. Ob dies nun an Marie Nieblers Schreibstil oder der Art, wie sie die Figuren gestaltet hat lag, kann ich nicht genau sagen. Das Ergebnis ist jedenfalls lesenswert! Von mir gibt es 4,5 Sterne und eine Portion Vorfreude auf die beiden Folgebände aus Sointula.