Rezension

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Eine Geschichte aus der NS-Zeit aus einer Perspektive, die man noch nicht so häufig gelesen hat

Mehr als tausend Worte - Lilli Beck

Mehr als tausend Worte
von Lilli Beck

Bewertet mit 3.5 Sternen

Zum Inhalt:
In "Mehr als tausend Worte" geht es um die junge Aliza, die in Berlin zusammen mit ihrer Familie lebt. Da sie Juden sind, wird das Leben in den 30er Jahren in Berlin immer schwieriger für sie alle. Viele ihrer Freunde und Bekannten haben sich bereits für die Auswanderung entschieden, doch Alizas Vater fühlt sich durch seinen Beruf als Arzt verpflichtet die Stellung zu halten und sich um die Menschen zu kümmern, die noch vor Ort sind. Als dann jedoch der Großvater von der Gestapo abgeholt wird und erst nach mehreren Tagen verprügelt und gebrochen nach Hause kommt, wird ihnen der wirkliche Ernst der Lage bewusst.
Zu diesem Zeitpunkt noch aus Deutschland herauszukommen, ist aber schier unmöglich. Die Reichsfluchtsteuer des NS-Regimes ist kaum noch zu bezahlen. So beschließt die Familie zumindest die 16-jährige Aliza zu retten und mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Um dies zu ermöglichen muss die Familie sich jedoch in die Hände des hinterhältigen Blockwarts Karoschke begeben, der diese Chance nutzt, um sich selbst zu bereichern.
Doch für Aliza ist das nicht das größte Problem. Sie ist in den nicht-jüdischen Parfümhändler Fabian verliebt, den sie nicht verlassen möchte...

Meine Meinung zum Buchcover:
Ich finde das Cover zwar schön, aber nachdem ich das Buch gelesen habe, finde ich es nicht sonderlich passend. Das Buch spielt zumeist in Berlin und in London und somit in zwei Großstädten. Das Cover zeigt jedoch ein Bild auf dem Land, was ich irreführend finde. Es vermittelt außerdem eine positive Grundstimmung und das Gefühl von Aufbruch, es wäre meiner Meinung nach für ein Buch angebracht, das nach dem zweiten Weltkrieg spielt, vielleicht in den Fünfzigern, aber nicht für diese Geschichte, die mitten im Krieg stattfindet und von der Stimmung her eher düster ist. Deswegen finde ich die Cover-Auswahl nicht sonderlich gelungen.

Meine Meinung zum Buch:
Ich finde es gut, dass das Buch die NS-Zeit mal aus einer etwas neuen Perspektive erzählt. Zumindest hatte ich persönlich noch nicht so viel über die Kindertransporte nach England gehört.
Von daher hatte das Buch großes Potenzial eine dramatische Geschichte davon zu erzählen, wie es Kindern ergangen ist, die allein aus Deutschland weggeschickt wurden, um Nazi-Deutschland zu entfliehen.
Ich finde es interessant sich bewusst zu machen, dass diese Kinder auch in England wiederum als Feinde angesehen wurden, sobald man sich im Krieg befand und wie schwer die Suche nach den Verwandten nach dem Krieg war.
"Mehr als tausend Worte" hat viele dieser Aspekte angerissen, aber meiner Meinung nach nie zu Ende erzählt. Diese Momente hätten so intensiv werden können, sind aber leider flach geblieben. Schade.
Vielleicht konnte sich die Autorin nicht entscheiden, ob sie eine Liebesgeschichte oder ein Familiendrama schreiben wollte. So kam es mir zumindest vor und deswegen konnte die Geschichte auch gar nicht richtig rund werden.

Achtung Spoiler!
Um zu erklären, warum ich nur drei Sterne gehe, muss ich nun doch etwas spoilern.
Ganz entscheidend für diese Punktevergabe war für mich der Moment, in dem Aliza erfährt, dass ihre Eltern umgekommen sind.
Es hat mich wirklich sehr gestört, dass dies nur so kurz abgehandelt wird und Harald und Aliza kurz danach nur noch das Problem haben, wie sie ihrem Bruder bzw. Schwester erklären sollen, dass sie nun ältere Ehepartner haben. Das finde ich wirklich daneben und war für mich irgendwie respektlos.
Danach wird noch kurz abgehandelt, wie Aliza Fabian von ihrer Ex-Besten Freundin Mizzi loseist und dass dieser Mizzi sowieso nie geglaubt hat, dass Aliza tot ist und Friede, Freude, Eierkuchen... Das ist jetzt ein wenig übertrieben, aber das Ende ging mir einfach zu schnell und zu leicht von der Bühne und ist für mich deswegen unglaubwürdig.
Wirklich schade, da das Buch stark angefangen hat, die letzten hundert Seiten haben die Geschichte für mich aber leider kaputt gemacht.