Rezension

eine Geschichte, die auch unsere Geschichte ist – so spannend, so erschütternd, immer noch aktuell

Verraten -

Verraten
von Grit Poppe

Bewertet mit 4 Sternen

Ich bin froh und dankbar, dass ich „Verraten“ gelesen habe. Gerade, weil die Handlung nicht bequem ist, mich auch mal zur nächtlichen Stunde umgetrieben und mir ein Geschichts- und Gedankenfeld eröffnet hat, dem ich mich viel zu selten widme. Was ist Schuld? Wie verhält es sich mit der Frage nach der persönlichen Schuld? Und trägt jeder Mensch Verantwortung für sein Handeln – auch wenn es unter schier unerträglichem Druck, Zwang und überwältigender Angst um das eigene Leben und das seiner Liebsten geschieht?

All dies geht mir auch jetzt noch durch den Kopf, nachdem ich die letzte Zeile gelesen und das Buch nun zugeklappt habe. Es war ein sehr intensives Leseerlebnis, das mich bereits ab der ersten Seite in seinen Bann gezogen hat. Ein wenig ahnungslos und vielleicht auch ein wenig naiv mit Blick auf Geschichte und Leben in der DDR wurde ich als Leserin ganz unmittelbar in das Geschehen hineingestoßen – das klingt hart, und das ist es mit Blick auf die Geschehnisse auch. Der Alltag in dem Durchgangsheim, der menschenverachtende Umgang mit den Kindern und jungen Männern und Frauen, die Entrechtung und Entwürdigung haben mich eiskalt erwischt, sind mir unter die Haut gegangen, haben mich sprachlos gemacht. Was ist Fiktion, was war wohl tatsächlich in diesen Heimen möglich?

Sebastian und Katja haben mir diese Geschichte sehr nahegebracht, stehen sie für mich doch stellvertretend für das Schicksal vermutlich unzähliger Männer, Frauen und Jugendlicher in der DDR, die der Willkür einer Staatsmacht schutzlos ausgeliefert waren und damit um ein Leben in Freiheit und die Möglichkeit beraubt wurden, ihre private und auch berufliche Gegenwart und Zukunft selbst zu gestalten.

Was mich die Handlung lehrt: Freiheit, Schutz, Mitbestimmung – all dies ist nicht selbstverständlich, es ist eine große Errungenschaft, ein Privileg, das es zu schätzen und vor antidemokratischen Strömungen in unserer Gesellschaft zu verteidigen gilt. Und zwar von jedem einzelnen von uns, damit Entrechtung, Demütigung und ein Leben unter Druck und Zwang hoffentlich irgendwann für immer der Vergangenheit angehören.