Rezension

Eine Geschichte, die bewegt, schockiert und noch lange nachhallt

Die unterirdische Sonne - Friedrich Ani

Die unterirdische Sonne
von Friedrich Ani

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Keller ohne Fenster in einem Haus auf einer Insel - dort eingesperrt fünf Kinder und Jugendliche im Alter von elf bis sechzehn Jahren, beobachtet durch Kameras und belauscht durch Mikrofone. Immer wieder werden sie einzeln oder zu mehreren nach "oben" geholt. Wer flüstert, schreit oder über das spricht, was "oben" passiert, wird bestraft oder gar getötet. Angst, Wut und Verzweiflung beherrschen das Denken und Fühlen von Eike, Sophia, Maren, Conrad und Leon. Sie alle gehen täglich durch die Hölle ohne Aussicht auf Rettung - bis Noah zu ihnen gebracht wird. Noah ist anders als sie alle, er kennt die Hölle bereits. Kann er dem Grauen die Stirn bieten und neue Hoffnung bringen?

Gestaltung, Stil, Leseeindruck (Gebundene Ausgabe, ISBN-13: 978-3570162613, 2014 cbt Verlag):
Das Cover des Buches vermittelt auf den ersten Blick einen harmlosen Eindruck, ein Schmetterling lässt zunächst nichts Schreckliches vermuten und doch wird schnell klar, dass es sich hier um ein Symbol handeln muss. Gepaart mit dem Titel "Die unterirdische Sonne" und dem Spritzfleck in Rot/Schwarz, der sehr an Blut erinnert, kommt man dem zutiefst schockierenden Inhalt langsam näher. Der Klappentext und auch der Hinweis auf das empfohlene Lesealter ab 16 Jahren räumen dann schließlich jeden weiteren Zweifel aus.

Dieses Buch zu rezensieren fällt mir sehr schwer, was vor allem an der beklemmenden und verzweifelten Atmosphäre, die Friedrich Ani durchgehend geschaffen hat, liegt. Der Schreibstil ist ungewöhnlich aber flüssig und bereits die Abschnittsbezeichnung lässt mich an ein Drama denken. Ani teilt seine Handlung wie beim klassischen Drama in drei Akte auf, nummeriert die Szenen aber stetig durch. Der zweite Akt trägt die Kernhandlung und ist auch am längsten.

Ich denke, es ist schwer seine Meinung zu diesem Buch zu begründen, zu viel würde man dann vom Inhalt preisgeben müssen. Deshalb belasse ich es bei meiner Rezension bei der Wiedergabe meines Eindrucks. Die Geschichte beginnt unmittelbar ohne Einleitung oder Vorwort, der Leser ist sofort bei den Kindern und liest die Gedanken und spärlichen Gespräche. Erst nach und nach erfährt man einige Details, wie zum Beispiel wie die Kinder entführt wurden oder wie ihr Leben vorher ausgesehen hat. Eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen fällt schwer, da sie sich bereits zu sehr abschotten und in sich gekehrt zu überleben versuchen. Erst im zweiten Akt kommt man ihnen als Leser etwas näher - wodurch möchte ich an dieser Stelle nicht vorwegnehmen.

Generell denke ich, dass man dieses Buch nur erleben kann und ob man es nun mag oder nicht, es wird einen beschäftigen und so schnell nicht wieder loslassen. Wer sich nicht sicher ist, ob er die Thematik des Buches "aushält", sollte sich auf jeden Fall zunächst an die Leseprobe wagen, denn die Beklemmung, die die Lektüre des Buches mit sich bringt, ist von Anfang an vorhanden. Ob das empfohlene Lesealter gerechtfertigt ist? Nun ja, ich denke, das kommt auf die jeweilige Reife an. Für zartbesaitete mag die Lektüre jedoch nicht geeignet sein.

Es gibt einige Fragen, die für mich bei der Lektüre nur unzureichend beantwortet wurden. Der Spannungsbogen ist ein wenig unrund für meinen Geschmack, obwohl ich zügig und flüssig lesen konnte, wurde mir das Ende zu hastig herbeigeführt. Auch fehlte mir die Nähe zu den Charakteren, was aber möglicherweise vom Autor so gewollt sein mag. Man kann nicht immer die Handlungen der Kindern nachvollziehen, weil es unmöglich ist, sich in deren Lage zu versetzen. Automatisch rückt man als Leser vom Geschehen ein wenig ab, zu grausam ist das indirekt Miterlebte.

Zitat: S. 195: "Sie taugte nichts mehr als Freundin, dachte sie, sie war zu nichts mehr nutze außer zum Benutztwerden. Sie war bloß noch ein Lumpen in der Dunkelheit."

Noch eines zum Abschluss: Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und die Meinungen zu diesem Buch gingen weit auseinander. Auffällig war jedoch, dass es keine Grauzone zu geben schien - entweder war man schlichtweg gefesselt, schockiert und angerührt oder aber man kam mit Schreibstil und der Art und Weise wie der Autor die Thematik verpackt hat, nicht zurecht.

Fazit:
Ein ernstes und leider auch immer wieder präsentes Thema, gekonnt und einzigartig durch Friedrich Ani verarbeitet - ein Buch, das schockiert, bewegt und fassungslos macht und damit seine Wirkung gezielt entfaltet. Dieses Buch gefällt oder gefällt nicht, doch eines bewirkt es ganz sicher - es hinterlässt eine deutliche Spur.

Kommentare

kommentierte am 10. März 2014 um 17:36

Vielen Dank yvy für diese tolle Rezension.

Inhaltlich hast du nicht zu viel preisgegeben. Der Leser kann ohne Vorwissen voll einsteigen. Dennoch hast du die Gefühlswelt, die auf den Leser einstürzt sehr einfühlsam beschrieben. Du überläßt jedem die Möglichkeit, sich auf das Buch einzulassen oder nicht.

 

yvy kommentierte am 10. März 2014 um 18:01

Danke, genau das wollte ich erreichen. Ich selbst mag es nämlich nicht, wenn man in den Rezensionen schon zu viel vom Inhalt preisgibt.

Deine Rezension trifft es aber auch, mich würde nur noch interessieren wie du es für dich bewertest?

LG

antwortete am 10. März 2014 um 19:13

Ich habe lange überlegt, das Buch polarisiert. Entweder hop oder top.

Für mich ist es ein hop. Das Thema bleibt weiterhin aktuell, Gewalt und Machtkontrolle gegenüber Kindern (nur mal eben Jungenbilder anschauen usw.) kommen immer wieder vor. Leidtragende sind immer die Kinder, aber die Interpretation/Darstellung in diesem Buch ist mir zu beklemmend und zu verstörend.

Den Anspruch ein Jugendbuch zu schreiben, kann Friedrich Ani nicht erfüllen.

yvy kommentierte am 10. März 2014 um 21:47

Danke dir für deine nähere Ausführung, die ich nachvollziehen kann.
Da ich normalerweise eher nicht zu Jugendbüchern greife, hat mich das auch gewundert. Für mich ist es eindeutig "Erwachsenenliteratur".