Rezension

Eine Geschichte ebenso traurig wie schön; dabei kann sie stellenweise trotzdem sehr hässlich sein

Hexenlied - Antonia Michaelis

Hexenlied
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn der Vorhang fällt... Ein Blick hinter die Kulissen der Menschlichkeit.

Wenn Antonia Michaelis ein neues Buch schreibt, muss ich es lesen. Gerade bei "Hexenlied" hatte ich das Gefühl, dass es mir ähnlich gut gefallen könnte wie "Der Märchenerzähler" und tatsächlich reiht es sich nun in die Top 3 meiner Michaelis Bücher ein.

Wie gewohnt umgibt die Figuren von Antonia Michaelis ein Geheimnis, das nur Stückchenweise fallen gelassen wird. Ein Stückchen das es schafft die Neugierde zu erhöhen, das die Spannung schürt, aber eben nur ein Teil vom Ganzen ist. Ein kleines Teil vom Puzzlegebilde, durch das Michaelis gekonnt manövriert und inszeniert. Und wir Leser*innen sammeln diese Puzzlestückchen sorgsam ein. Legen sie gelegentlich zusammen, um zu sehen was für ein Bild entsteht. Anfangs verschwommen, da unvollständig und nicht alle gesammelten Teile passen gleich ins Bild. Die fehlenden Stückchen werden deswegen mit Vermutungen gefüllt. Doch ob man damit richtig liegt?  

Was mir an Hexenlied so gut gefällt ist das verwischen der Grenze zwischen Realität und Fiktion. Die malerische Bildsprache hat mich das Buch nicht nur lesen lassen, ich konnte Tim und Lilith vor meinen Augen agieren sehen, war ein Teil dieser Welt. Vor allem der Übergang der Theaterproben empfand ich als sehr intensiv. Gerade noch im Proberaum ist man im nächsten Moment im mexikanischen Urwald, wo das Stück ein Eigenleben entwickelt, um uns dann wieder mit der Realität zu konfrontieren. Die Jugendlichen verschmelzen mit den zugewiesenen Charakterrollen - doch wie weit gehen Sie in dieser Rolle auf?

Beim Lesen habe ich öfter innegehalten. Mir überlegt, wie die Geschichte endet. Was ich mir für Lilith und Tim wünsche. Oder was ich mir nach jedem weiteren Informationsstückchen vorstellen könnte wie es endet.
Gerade hier denke ich, das "Michaelis Neulinge" andere Schlüße ziehen werden, als "Michaelis Kenner". Was nicht schlimm ist, da die Geschichte nie ihre Spannungskurve verliert, die sich zum Ende hin zunehmend verdichtet.
Die Geschichte hat mich in ihren Bann gezogen, gerührt, geschockt, zum Nachdenken gebracht. Sie ist ebenso schön wie traurig und kann dabei stellenweise trotzdem sehr hässlich sein. Lass dich darauf ein und sieh, was sie in dir bewegt.