Rezension

Eine Geschichte in Geschichten - Reise in die Bücherstadt

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherstadt - Akram El-Bahay

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherstadt
von Akram El-Bahay

Sam ist ein Dieb, der keiner mehr sein will. Doch das Schicksal - oder die Bücher - haben einen anderen Weg für ihn vorgesehen. Als er während seiner Wachschicht in Paramythia, der unterirdischen Bücherstadt, unheimlichen Fabelwesen und der Dienerin und Tochter eines Gelehrten, Kani, begegnet, erwachen für Sam die Geschichten seiner Kindheit zum Leben. Plötzlich findet er sich inmitten eines Abenteuers wieder, das vom Flüstern der Buchseiten von Paramythias Herz, der geheimen Bibliothek, begleitet wird und muss sich der Frage stellen: Für wen bewacht er diese geheime Bibliothek? Steht er wirklich im Dienst des Weißen Königs? Oder sollte die Frage eher lauten: Vor wem Schütz er diese? Wer - oder was - ist Sabah, die Beraterin des Königs, wirklich? Wer Assasil? Und was hat es mit den fleischgewordenen Fabelwesen auf sich?

"Bücherstadt - Die Bibliothek der flüsternden Bücher" ist ein rasanter, rätselhafter Auftakt zu Akram El-Bahays neuer Trilogie. Rasant, weil auf den ersten Seiten schon so viel passiert, dass man als Leser kaum hinter her kommt und auch nicht viel Zeit bleibt, die Protagonisten richtig kennen zu lernen. Rätselhaft, weil die Fragen mit dem Fortschreiten der Geschichte immer mehr werden und man nicht umhinkommt, sich auf der Suche nach den Antworten phasenweise in dem Buch zu verlieren. 
Man kann es nicht ganz verleugnen, dieser Fantasy-Roman weist deutliche Schwächen auf. An vielen Stellen fragt man sich: Habe ich das so nicht schon bei Cornelia Funke gelesen? Oder: Erinnert mich das nicht ein bisschen an Walter Moers? Der Autor scheint sich bei einigen anderen Fantasy-Reihen ein wenig bedient zu haben, zumindest aber inspirieren lassen. Und es passiert zu Beginn so viel, dass man das Gefühl bekommt, eher als unbeteiligter Zuschauer am Rand zu stehen und aus der Distanz ein Geschehen zu beobachten, statt dabei zu sein. Man vergisst einfach nicht, dass man eine Geschichte liest! Und das wirkt sich auch auf die Empathie mit den Figuren aus. Obwohl sie sympathisch und in vielen Punkten realistisch gestaltet wurden, können sie über eine fehlende Tiefe, einen gewissen Facettenreichtum nicht hinwegtäuschen und wirken so eher wie Statisten in einer Handlung, auf die mehr Wert gelegt wurde. 
Zugegeben, ich begegne mit dieser Romanreihe Akram El-Bahay zum ersten Mal und habe daher keinerlei andere Erfahrungen mit dem Stil des Autors gemacht. Vielleicht braucht es einfach etwas Zeit, vielleicht waren knapp 400 Seiten für eine ganz neue Welt, eigentlich sogar zwei neue Welten - Mythia und Paramythia - einfach zu wenig Raum, für die Entwicklung von guten Charakteren. Das kann sich in Band zwei noch ändern, denn der Auftakt lässt noch viel Raum für die Entwicklung der Geschichte. Am Ende hat man nur mehr Fragen als Antworten und will sich als Leser nicht wirklich festlegen, wohin die weitere Reise von Sam und Kani wohl noch gehen wird. Und man kann es schlicht nicht leugnen: dieser erste Band hat seine Momente! Vor allem wenn die fabelhafte Welt Paramythias ausgestaltet, erzählt - ja wirklich erlebt wird, verliert man sich in dieser mythischen und mysteriösen Bücherwelt, deren Geschichte noch nicht zuende geschrieben zu sein scheint.

Wer also Geschichten a la Tintenwelt, Mythenmetz' Träumende Bücher oder die Skulduggery Pleasant-Reihe mag, der wird mit diesem Roman wohl keinen Fehlgriff tätigen, vorausgesetzt, man bringt ein wenig Geduld mit ;)