Rezension

Eine Geschichte mit überraschender Wendung

Eine ganz andere Geschichte - Håkan Nesser

Eine ganz andere Geschichte
von Håkan Nesser

Bewertet mit 4 Sternen

Ich gebe zu, wenn man so lesefaul ist wie ich, sind überraschende Wendungen auf über 600 gedruckten Seiten ein Graus, denn es bedeutet, dass man vieles Gelesen hat, was letzten Endes belanglos war. Der Titel "Eine ganz andere Geschichte" ist eigentlich bereits Indiz genug, dass es hier mindestens zwei Geschichten zu lesen gibt, doch Hakan Nesser hat auch in diesem Krimiroman nicht vor, seine Leser über alle Maßen zu langweilen.

Wer schon mal einen Fall für Barbarotti gelesen hat, der bekommt ein gewohntes Bild. Viele Seiten, auf denen es seicht beginnt und stets auch das Privatleben des Kommissars behandelt wird. Damit man sich dabei nicht langweilt, werden Aufzeichnungen des Mörders bereits zwischendurch eingestreut und zwingen den Leser immer wieder ins warme Südfrankreich abzutauchen, was mir persönlich gut gefallen hat, da ich dort meinen letzten Urlaub verbracht habe. Bei täglich über 30 Grad und wenn man so eine Erinnerung noch parat hat, kann man getrost vergessen wie mies das Wetter aktuell ist.

Gegen Ende bekommt die Story eine überraschende Wendung, die der Leser meiner Meinung nach nicht erkennen kann, denn Nesser schenkt es sich zu begründen, welches Detail den Mörder verriet. Vermutlich weil er ein solches bewusst nicht eingefügt hat, denn dann wäre im schlechtesten Fall bereits früh klar gewesen, was Sache ist.

Die ganze Story wird in meinen Augen etwas ungeliebt und hastig aufgelöst, was mich ein bisschen verwundert, da sich Nesser sonst auch keine Gedanken macht, ob er sich kürzer fassen sollte. So hätte ich mir etwas mehr Analyse am Schluss gewünscht. Man könnte meinen, Nesser hat eine Story abgebrochen, da sie sonst über 1000 Seiten lang und vorhersehbar, wie auch gewöhnlich geworden wäre, sich dann aber etwas wenig Mühe gemacht, die Wendung zu einem schlüssigen und ausformulierten Ende zu bringen. Auch wenn man sicher nicht mehr 100 Seiten lesen Möchte nachdem man den Mörder kennt, sind 15 Seiten bei der zuvor aufgebauten Story etwas dünn und weil ich weiß, dass er das eigentlich viel besser kann, ziehe ich einen Stern ab, obwohl mir das Buch sehr gut gefallen hat.