Rezension

Eine Geschichte über Vertreibung

Die lichten Sommer -

Die lichten Sommer
von Simone Kucher

Bewertet mit 4 Sternen

Liz arbeitet seit ihrem 14. Lebenjahr in der Batteriefabrik. Auf dem Weg dorthin schwätzt sie mit den anderen Mädchen und erfreut sich mit ihnen an ihrem Alltag. Den Rückweg meistert sie allein, läuft ganz beschwingt und überlässt sich ihren umherflatternden Gedanken. Unten am Fluss entlang, erinnert sie ihre Herkunft.

Wie aus dem Nichts waren sie nach Kriegsende plötzlich hier aufgetaucht und hatten das Dorf in helle Aufregung versetzt, es plötzlich gesprächig und streitsüchtig gemacht. S. 11

Ihre Eltern waren aus Tschechien geflüchtet und hatten in den Barracken unten am Fluss gelebt. Jahre später schafften sie es, aus ihrer eigenen Hände Arbeit, ein kleines zweistöckiges Haus zu mieten. Die Eltern lebten oben und richteten unten eine Gaststätte ein, als Liz geboren wurde. 

Ihr Vater Ladislaus trägt die alten Narben auf dem Rücken, das hatte sie mal beobachtet. Jeden Tag steht er hinter dem Thresen und ihre Mutter Nevenka steht in der Küche und bereitet den Mittagstisch. Dass sie feine böhmische Gerichte zu günstigen Preisen anboten, hatte sich bald rumgesprochen und auch, dass Ladislaus großzügig die Schnapsflasche rumgehen ließ. Mit der eigenen Gaststätte kam der Aufstieg, der Schnaps und die Bedürfnisse. Auf das Haus! Auf die Frau! Auf das Kind! Auf die Freude! Auf den Kummer! Prost!

Als Liz ein Ausbildungsangebot von ihrem Vorgesetzten bekommt, weigert sich der Vater, den Vertrag zu unterschreiben. Liz solle weiter in der Gaststätte aushelfen und auch ihre Mutter brauche sie noch. 

Fazit: Es ist eine Geschichte über Vertreibung und Ankommen, über Schuld und Demütigung. Und es ist eine Geschichte darüber, wie sich Traumen über Generationen weiterverbreiten. Die Geheimnisse, die Liz Mutter Nevenka in sich verbirgt und die Erlebnisse von Nevenkas Mutter, färben auf Liz ab und bestimmen ihr Sein. Liz hat den schweren Weg zu gehen, zu kränkeln und in Melancholie zu fallen, oder ihrem Partner zu sagen, was sie stört, gleichzeitig ihr Gesicht zu wahren und ihre Herkunft zu verbergen. Ich mochte die Geschichte, in die ich allerdings erst ab Seite 100 so richtig reingerutscht bin. Die Autorin hat Kapitelweise aus der Gegenwart erzählt und ist dann immer wieder in die Rückschau gegangen. Wenn sie mich aus Vergangenheit wieder in die Gegenwart brachte, habe ich den Faden verloren, wusste nicht mehr mit welchem Cliffhanger sie geendet hatte. Die fremden Namen haben es auch nicht leichter gemacht. Alles in allem eine gut geschriebene Geschichte, in deren Technik ich mich leider verloren habe.