Rezension

Eine Geschichte über zwei feine Charaktere

Leonard und Paul -

Leonard und Paul
von Rónán Hession

Bewertet mit 5 Sternen

Leonard wurde von seiner alleinerziehenden Mutter voller Güte erzogen. Er hat viel Ähnlichkeit mit dieser schüchternen Frau, die sich lieber auf Leonard konzentrierte, als mit den Herden zu schwimmen. Die Mutter, durch ihre Arbeit als Grundschullehrerin geprägt, las Leonard schon früh aus diversen Enzyklopädien vor und so wundert es kaum, dass Leonard später als Ghostwriter für Kinderlexika arbeitet. Als Leonards Mutter friedlich einschläft, ist es ein Schock für ihn. Tagelang schleicht er lethargisch durch das stille Haus. Nach einiger Zeit jedoch entsinnt er sich seines besten und einzigen Freundes Paul und besucht ihn zu einem ihrer Spieleabende. 

Paul ist über dreißig und macht seit neustem Kampfsport. Eigentlich passt das gar nicht zu ihm, der die meisten Tage damit verbringt, darauf zu warten, dass das Hauptpostamt ihn als Vertretung für einen krank gewordenen Kollegen einzusetzen wünscht, was zwei – maximal dreimal pro Monat vorkommt. Paul hält die Welt für etwas Fantastisches und leiht sich Ausgaben des National Geografic aus der Bücherei, während Leonard, ganz Autodidakt, ein Abonnement des New Scientist besitzt. 

In ihren Unterhaltungen vermischte sich das Yin von Leonards Leidenschaft für Faktenwissen mit dem Yang von Pauls Neugier. S. 26

Im Grunde könnten die Leben von Leonard und Paul in dieser ruhigen Weise, mit gelegentlichen Gesellschaftsspielen und inspirierenden Gesprächen weitergehen. Wenn nicht Pauls Schwester Grace mit ihrer Hochzeit neuen Schwung in den Alltag zaubern und in Leonard Veränderungswünsche wecken würde.

Fazit: Rónán Hession erzählt in seinem Debüt von zwei Männern, die in liebevollen Verhältnissen behütet aufgewachsen sind. Beide lieben die immer gleiche Struktur ihres Alltags. Paul findet im Gleichbleibenden die Sicherheit, die ihm den Gleichmut bewahrt. Leonard fehlt das Selbstbewusstsein, das ihm das Ausscheren aus dem Trott erleichtern würde. Zwei Sonderlinge, die im sozialen Miteinander ihren Seelenfrieden erhalten, sich aber in der Welt da Draußen voller Konventionen, Erwartungen und Missverständnisse verloren fühlen. Am Ende jedoch findet Leonard seinen Reiz in der Außenwelt und probiert sich aus und Paul lässt eine reife Tiefsinnigkeit erkennen, die ihm niemand zugetraut hätte. Eine wirklich charmante, humorvolle Geschichte über zwei feine Charaktere, die alles andere verkörpern, als die ständige Selbstoptimierung. Ein entspannender Roman.