Rezension

Eine Geschichte voller Magie

Der Eisblumengarten - Guy Jones

Der Eisblumengarten
von Guy Jones

Inhalt:
Wenn Jess das Haus bei Tage verlässt, dann kann sie sich nur in einem Schutzanzug auf den Weg machen. Denn Jess hat eine schwere Form der Sonnenallergie. Schon eine kleine Unachtsamkeit kann zu schwersten Verbrennungen führen.
Regelmäßige Arztbesuche stehen auf ihrer Tagesordnung. Bei einem dieser Besuche im Krankenhaus erlaubt sich Jess einen Spaziergang durch die Gänge. Durch einen Zufall kommt sie an einer offenen Tür vorbei und erblickt einen Jungen, der im komatösen Zustand liegt. Jess betritt das Zimmer, setzt sich auf einen freien Stuhl und beginnt dem Fremden eine ihrer Geschichten zu erzählen. Durch ihre Kleidung, aber auch krankheitsbedingt, hatte Jess bislang nur wenige Möglichkeiten Freundschaften zu schließen. Kurzerhand fasst sie einen Entschluss, dem Jungen emotionalen Beistand zu leisten. Jess möchte wiederkommen und dieses Mal mit einer neuen selbstgeschriebenen Geschichte.
Da Jess tagsüber das Haus nicht verlassen kann, zieht es sie nachts auf die Straßen. Eines Tages führt sie ihr Weg auf einen nahegelegenen Spielplatz. Ein Geräusch aus dem nahen Gebüsch lockt sie an. Sie schiebt sich durch die Hecken und Zweige und landet plötzlich in einem wunderschönen Szenario. Ein atemberaubender Sonnenuntergang zeigt sich am Horizont. Schneidender Frost liegt in der Luft. Alles glitzert. Und dann entdeckt Jess den Garten, der vor ihr liegt. Ein Labyrinth ist in der Ferne zu erkennen. Erst kurz darauf bemerkt Jess, dass alles, was sie vor sich sieht, aus Eis zu bestehen scheint: Die Blumen, der Rasen und selbst ein Tier, das einer Maus ähnelt und riesige Schlappohren trägt.
Jess ist verzaubert. Dieser Ort soll ihr Geheimnis sein. Ihr Zufluchtsort in schweren Zeiten. Doch schon bei ihrer nächsten Wiederkehr, merkt sie, dass sie hier nicht alleine zu sein scheint.

Im Detail:
Guy Jones schreibt mit der Eisblumengarten eine skurrile und zugleich zauberhafte Geschichte. Mit Jess erschafft der Autor eine Protagonistin, die durch ihre Lichtempfindlichkeit sehr stark eingeschränkt ist. Jess hat keine Freunde und flüchtet sich in das Schreiben von Geschichten. Hier findet sie Trost und Hoffnung.
Die zufällige Begegnung im Krankenhaus mit dem im Koma liegendem Davy sorgt dafür, dass Jess endlich wieder ein wenig Mut findet. Kurzerhand befördert sie den fremden Jungen, der von ihrer Existenz vermutlich noch gar nichts weiß, zu ihrem Freund. Die regelmäßigen Arztbesuche werden künftig durch ein kleines Highlight aufgewertet. Denn Jess plant für Davy Geschichten zu schreiben und sie ihm am Krankenbett vorzulesen. Davy wird also zu Jess Freund am Tage.
Doch auch in der Nacht findet Jess bald schon eine Person, die ihr wichtig wird. Denn bei einem abendlichen Spielplatzbesuch wird sie durch ein Geräusch im Gebüsch auf einen Zugang zu einer anderen Welt aufmerksam gemacht. Direkt hinter einer Hecke liegt der Eisblumengarten. Eine eigene Welt, die nur aus Eis besteht. Bald schon muss Jess allerdings feststellen, dass ihr neuer Zufluchtsort gar nicht so verlassen ist, wie erst erwartet. Fußspuren weisen auf einen weiteren Besucher hin. Es dauert nicht lange, bis Jess auf Owen trifft. Einen Jungen, der bald schon zu einem vertrauten Gesprächspartner und schließlich zu einem guten Freund wird.
Doch dann passiert etwas sehr Merkwürdiges. Jess erblickt in den Augen eines mausähnlichen Wesens einen dunklen Schimmer. Kurz darauf beißt sie das Tier mitten in den Finger. Auch Owens Augen leuchten in einem kurzem Moment düster auf. Dann schlägt seine Stimmung von einer Minute auf die andere um. Und dann gibt es da noch diese geheimnisvolle Brücke, die über einen Abhang führt und sehr zerbrechlich aussieht und diesen Wald auf der anderen Seite, der sehr unheimlich wirkt.
Der Eisblumengarten entfaltet seinen Zauber durch die ungeheuerliche Innovationskraft und der Sprachmacht des Autors. Als Leser verliert man sich ein wenig in seiner wundervollen Welt. Doch so schön alles auch ist, ein düsterer Schatten lauert hinter jeder Ecke.

Fazit:
Endlich wieder Zauber in der Muggel-Welt. Gay Jones schreibt mit „Der Eisblumengarten“ eine magische Geschichte. Er beschreibt eine Freundschaft zwischen einem einsamen Mädchen, das bei Tage nur im Schutzanzug in die Sonne gehen darf und einem Jungen, der im Koma liegt sowie die Gefühle eben jenes Mädchens zu einem Jungen aus Eis, der in seiner eigenen Welt aus Frost auf sie wartet.
Eine magisch-mystische Parallelwelt um sich als Leser ein Gegengewicht zum profanen Alltag zu schaffen. Doch der Zauber des Eisblumengartens, so schön er auch sein mag, trägt auch etwas Düsteres in sich.
Ich empfehle dieses Buch an Leser/innen, die ein Leseerlebnis jenseits der Wirklichkeit, diesseits des Eskapismus suchen. Dieses Buch vermittelt zudem eine wunderschöne Botschaft.
Für jeden Topf soll es bekanntlich einen passenden Deckel geben. Diese Redewendung scheint auch ganz gut auf Jess und ihre neuen Freunde zu passen. Gay Jones schreibt ein Hohelied auf die Freundschaft, die für jeden, der nur bereit ist Opfer zu bringen, möglich ist.

Buchzitate:
Diesmal entschied sie sich für einen anderen Pfad, der durch eine ausgedehnte Fläche voller Eisblumen und mit sanften Hügeln führte. Er schlängelte sich einen Abhang hinunter und mitten durch eine Wiese voller Eisblumen. Der Untergrund war eine Art Kies: winzige Eiswürfel, die unter ihren Füßen knirschten.