Rezension

Eine Geschichte zwischen Mystik, Märchen und Historischem Familienportrait

Der Bär und die Nachtigall - Katherine Arden

Der Bär und die Nachtigall
von Katherine Arden

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist ja schon etwas ironisch. In der Fantasywelt wird russische bez. slawische Mythologie jetzt noch nicht so oft aufgegriffen und nun habe ich in diesem Monat neben Grisha gleich ein weiteres Buch, dass sich dieser hochinteressanten Mythologie widmet.

Von Domovoi, Rusalka und Wasila
Der Bär und die Nachtigall spielt zu einer historischen Zeit, nämlich in Rus, Mitte des 14. Jahrhunderts. Gleichzeitig entführt uns die Autorin in eine faszinierende mythische Welt voller Haus- und Naturgeister und dem auch in unseren breiten allseits bekannten Väterchen Frost. Die slawische Mythologie und das Märchen rund um Djed Moros oder Morozko, wie Väterchen Fost ebenfalls genannt wird, werden kunstvoll in diesen historischen Zeitraum eingebunden, sodass man sich am Ende gar nicht mehr so sicher ist, ist das eine Märchenadaption oder ein historischer Roman?

Das hat mir sehr gut gefallen, denn dadurch, dass es die Autorin verstand die mythologischen Elemente so geschickt ins mittelalterliche Rus einzuweben, fühlt es sich tatsächlich viel realer an, als ob es Haus und Naturgeister wirklich geben würden, wir sie aber durch unsere christliche Kultur blos vergessen haben. Dem ganzen Buch wohnt eine mythische märchenhafte Stimmung inne, die sich jedoch nicht in den Fokus drängt, sondern eher allgegenwärtig im Hintergrund "lauert" um dann hin und wieder gezielt ins licht zu treten. Insgesamt habe ich viel über die slawische Mythologie gelernt, wobei das Glossar an dieser Stelle tatsächlich mal sehr hilfreich war.

Das Portrait einer mittelalterlichen Familie
Trotz aller Naturgeister und Morozko, das Buch eine reine Märchenadaption zu nennen würde ihm nicht gerecht werden. Wie bereits erwähnt, spielt das Buch zu einem historischen Zeitpunkt und das ist nicht einfach nur Kulisse. Das Buch verwendet viel zeit und Mühe darauf, das alltägliche Leben und nie gesellschaftlich Norm der Zeit widerzuspiegeln. Das mag nicht jedem Fantasyfan gefallen, ist aber aus meiner Sicht sehr interessant. Durch den Fokus auf Wasjas Familie, zeichnet die Autorin ein ziemlich genaues Bild über Norm, Sitte und Gebräuche des russischen Landadels des 14. Jahrhundert.

Besonders interessant fand ich den Konflikt der Christianisierung. Die Menschen in Wasjas Dorf glauben schon lange an Gott, trotzdem pflegen sie auch die alten Bräuche und glauben an die zahlreichen Geister. Für sie konnten beide Glaubensvorstellungen problemlos parallel existieren doch mit dem Eintreffen neuer Personen im Dorf ändert sich vieles und ich fand es sehr gut, wie die Autorin die weiteren Folgen thematisiert und den Konflikt beleuchtet hat.

Eine ganz eigene Erzählweise
Warum trotzdem "nur" 4 von 6 Punkten? Nun, erstmal muss ich sagen, würde ich halbe Punkte vergeben, wären es 4,5 geworden. Der Abzug entstand durch den Erdzählstil, den ich bei weitem nicht als schlecht bezeichnen will, mit dem ich aber erstmal klar kommen musste. Man muss sich darauf einlassen, es ist nichts was man  so nebenbei weg liest und im ersten drittel war mi auch nicht so recht klar wohin das alles führen soll, bez. was für eine Geschichte sich hier entwickeln soll und auch die Protagonistin kommt ziemlich kurz. Mit der zeit, steigert sich die Spannungskurve aber deutlich und Wasja tritt mehr in den Mittelpunkt, was mir ihre Einschätzung als Charakter deutlich erleichterte.

Die zweite Hälfte hat mir dann richtig gut gefallen. Wasjas Entwicklung und Emanzipation nehmen deutlich zu und die Gesichtete bekommt eine klarerer Linie. Jetzt, nach dem Beenden des Buches bin ich auch sehr neugierig darauf, wie es weiter geht, da Wasja zum Ende eine Entscheidung trifft, die viel Potenzial für die Folgebände bietet.

Fazit:
Der Bär und die Nachtigall ist eine Geschichte zwischen Mystik, Märchen und Historischem Familienportrait, voller russischem zauber. Nichts für zwischendurch, sondern ein Buch, auf das man sich einlassen muss, doch wenn man anfängliche Schwierigkeiten überwindet, lohnt es sich auf jeden Fall.