Rezension

Eine grandiose Idee

Der Kreis des Bösen - Rhena Weiss

Der Kreis des Bösen
von Rhena Weiss

Bewertet mit 4 Sternen

Rhena Weiss gehört mittlerweile zu den Autoren, die ich wirklich gerne lese. Die Charaktere sind sympathisch und liebevoll gezeichnet, und die Fälle sind wohl überlegt und gut konstruiert. Über ihr zweites Buch in der Baltzer-Reihe - „Gottes rechte Hand“ - bin ich völlig zufällig gestolpert, und auf den Nachvolger habe ich mich lange gefreut. Es sei noch dazu gesagt, dass dies der dritte Teil einer Serie ist. Man muss die Vorhergehenden nicht zwingend gelesen haben, schlecht wäre es aber trotzdem nicht. Ich hab den ersten Teil bis heute nicht gelesen und weiß auch, dass ich ihn nicht mehr nachholen werde – es kommen einfach zu viele Bücher heraus. Dennoch bin ich mit „Der Kreis des Bösen" gut zurecht gekommen.

Michaela Baltzer steht vor einer – nein, mehreren – Herausforderungen. Denn was zunächst wie ein einfacher Mord aussieht, entwickelt sich zu ihrem bisher größten Fall,. Dazu kommt, dass Matthias, der neue Kollege, nicht nur ein Grünschnabel ist, sondern ein unsympathischer Grünschnabel, der irgendwann ins Team des sexistischen Gernots wechselt, weil er für Prostituierte – ob tot oder lebendig – nichts übrig hat. Na gut, denkt sich Michaela, zu Gernot passt er ohnehin besser. Blöd nur, dass die Teams im späteren Verlauf zusammengelegt werden, weil der Fall Ausmaße annimmt, mit denen keiner gerechnet hat.

Denn im Internet findet ein Wettkampf zwischen Prometheus und Mephisto statt – den zwei Tätern im Buch. Das erfährt man als Leser schon früh und versteht, warum der Fall so verzwickt ist. Die zwei Antagonisten versorgen sich dabei mit den Fotos „ihrer“ Leichen und rühmen sich damit. Die zwei kennen sich aus dem Soziopathen-Forum „Der_Kreis_des_Bösen“ und sind im ständigen Austausch. Prometheus nimmt dabei die Rolle des Schülers ein und Mephisto die des erfahrenen Lehrmeister. Immer wieder bekommt man mit, wie sich die zwei immer weiter hochstacheln und sich neuen, größeren Herausforderungen stellen – die Morde selbst bekommt man als Leser allerdings nicht mit.

Anfangs wirft Rhena Weiss alles über den Haufen - „Herr Ober, einmal tabula rasa mit Schuss bitte“ -, Valerie ist (mehr oder weniger) weg, Doris ist weg, Bernd ist weg, Matthias, der Neue, ist da – als hätte sie den Reset-Button gedrückt. „Warum??!!“ will man als Leser da einfach nur schreien. Es hat doch alles gepasst im letzten Teil: das Verhältnis zwischen Michaela und Valerie war erfrischend, die toughe Doris war sympathisch, und Bernd – naja – war halt auch da. Aber Geduld, später fügt sich wieder alles. Und dennoch fragt man sich, warum das Ganze? Das hinterlässt dann doch einen seltsamen Eindruck.

Das Gute daran ist, dass wir dadurch neue Charaktere kennenlernen – unter anderem Gernot Königberg, jener Kollege Baltzers, den aufgrund seiner – nun – „einfachen" Art, keiner mag, ja wahrscheinlich nicht mal er selbst. Es muss eine gröbere Herausforderung für Rhena Weiss gewesen sein, sich in so einen Charakter zu versetzen, zumal Baltzer das exakte Gegenteil von ihm ist – manchmal ist sie sogar politisch zu korrekt.

Die Idee für den Fall ist aber grandios – ein Mordwettstreit zwischen zwei Soziopathen – wow. Und ebenso die Konstruktion, die ständig wechselnden Perspektiven zwischen Polizei und Mörder, zwischen gut und böse – das hat schon was und erzeugt eine stimmige Atmosphäre; auch wenn manch technische Feinheiten, die uns begegnen, nicht immer korrekt sind (zwei Firewalls auf einem PC, wie sie einer der Mörder hat, sind eher kontraproduktiv). Aber das verbuche ich mal unter künstlerischer Freiheit.

Leider ist die Auflösung aber schon relativ früh zu erahnen, was ich dann doch etwas schade fand. Auch habe ich nicht ganz verstanden, welches Kommunikationsmedium die zwei Täter, die ja ständig in Kontakt sind, nun benutzen – großteils ist von E-Mail die Rede, gegen Ende dann von persönlichen Nachrichten, was bei einem Forum wesentlich logischer wäre.

Am Ende gibt es allerdings noch einen besonderen Knaller, der mich jetzt schon auf den nächsten Teil neugierig macht – falls einer kommt.

Tl;dr: „Der Kreis des Bösen“ von Rhena Weiss ist ein Psychothriller mit einer grandiosen Idee und einer sehr guten Konstruktion. Dass die Autorin anfangs einiges über den Haufen wirft, ist zwar schade, tut der Spannung aber keinen Abbruch – zumal sich später alles wieder fügt. Schade ist nur, dass der ganze Fall relativ früh zu durchschauen ist.