Rezension

Eine graue Protagonistin und ein leidenschaftlicher Priester in einem tristen Paris

Nur ein Wort - Christina Talberg

Nur ein Wort
von Christina Talberg

Bewertet mit 2.5 Sternen

Die Geschichte ist aus Annas Sicht erzählt, und ich fand leider keinen Zugang zu ihr. Sie war mir zwar nicht komplett unsympathisch, aber ich fand sie spröde, introvertriert - einfach anstrengend. Sie scheint regelrecht mit ihren melancholischen Gedanken in ihrem eigenen Kopf, in ihrer kalten winzigen Wohnung eingesperrt zu sein. Dadurch wirkte die Geschichte für mich lange Zeit sehr bedrückend und trist. Der vielgepriesene Pariser Charme half hier leider auch nichts. In diesem Buch kam mir die Stadt wie ein schmuddeliger Moloch kaputter Gestalten vor.

Pedro blieb mir bis zum Schluss fremd. Er ist ein guter Kerl, aber ein extremer Mensch mit viel (übertriebener) Leidenschaft. Männer, die schon nach einer Nacht eine Frau heiraten und mit ihr Kinder haben wollen, sind mir etwas suspekt. Zusammen wirken Anna und Pedro einfach nicht. Man fragt sich, worin die gegenseitige Anziehungskraft liegt. Kein Knistern, kein Beben - bei mir kamen null Emotionen an. Dann auch noch Szenen, in denen Anna sich bei Pedro wie ein Schaf verhält, das zu allem Ja und Amen sagt, während es "Hilfe, nein!" denkt.  

Bei den anderen Charakteren fehlte mir ebenfalls die Tiefe, auch wenn sie alle sehr interessante Figuren sind. Gefallen hat mir aber Annas gutes Verhältnis zu ihrer Schwester Nat und ihrer kleinen Nichte. Interessant auch die Familiengeschichte: Der Vater kam bei einem Unglück ums Leben, die Mutter unterhält seitdem eine bereits lang anhaltende Beziehung zu einem katholischen Pfarrer. Diese Thematik wird oft in Rückblenden aufgegriffen. Später lernt der Leser dann auch die vielzitierte Mutter samt Priester-Freund kennen, was nochmal für Dynamik in der Geschichte sorgt.

Die ersten zwei Drittel des Buches bin ich etwas lustlos durch die Seiten geschlichten. Erst im letzten Drittel hat es die Autorin meines Erachtens herausgerissen. Die Geschichte dümpelt nicht mehr so vor sich hin, und zum Schluss habe ich die Gefühle zwischen Anna und Pedro sogar einigermaßen abgekauft. Nichtsdestotrotz muss ich wiederum kritisieren, dass sich die ganzen Probleme und Missstände, die sich vorher langwierig durch das Buch zogen, nun fast alle nach und nach in Gefälligkeit auflösten. Dies hat mich einerseits für die Figuren gefreut, die sich diese Wendungen zum Positiven hin auch verdient hatten. Andererseits war es zu konstruiert und zu gewollt.

Der Schreibstil ist einerseits relativ einfach gehalten. Allerdings unterhalten sich die Figuren öfter über sehr anspruchsvolle Themen aus den Bereichen Politik oder Philosophie, was auch dem Leser stellenweise Konzentration abringt. Es werden Stilmittel wie eingeschobene Liedtexte, Schlagzeilen aus Zeitungen oder Geräusche ("dopp, tschick, klack") verwendet, was ich persönlich eher störend fand, was aber vielleicht Annas teils wirre Gedankengänge ganz gut wiedergibt. Generell lässt sich der Schreibstil aber schnell und angenehm lesen.

Zu guter Letzt muss ich noch anmerken, dass das Layout mehrmals meinen Lesefluss gestört hat. Oft gab es abrupte Wechsel von Block- in Flattersatz, mitten in den Zeilen gab es Worttrennungen. Da dies auffallend häufig vorkam, würde ich hier dem Verlag empfehlen, das Layout nochmal zu überprüfen.

"Nur ein Wort" ist eine etwas schwere Liebesgeschichte mit einer grauen Protagonistin, die mich nicht so ganz überzeugen konnte, die aber im letzten Drittel nochmal das Ruder herumreißt und sich immerhin schnell weglesen lässt. Ich persönlich fand leider keinen Zugang zu den Figuren und hatte beim Lesen wohl nicht den nötigen Hang zur Melancholie.