Rezension

Eine großartige literarische Hommage an einen lange vergessenen Künstler

Der Sänger
von Lukas Hartmann

Bewertet mit 5 Sternen

Lukas Hartmann, Der Sänger, Diogenes 2019, ISBN 978-3-257-07072-1

 

Der Schweizer Schriftsteller Lukas Hartmann hat sich schon in vielen früheren Büchern als ein wahrer Meister des historischen Romans erwiesen. Immer hervorragend recherchiert, erzählt er spannend und unterhaltsam historische Begebenheiten, meist von Menschen, die wirklich gelebt haben.

 

So hat er es auch mit dem Stoff und dem Thema seines neuen, wieder bei Diogenes in Zürich erschienenen Romans gemacht. Im Anhang dokumentiert er ausführlich, welche Quellen er benutzt hat und von welchen anderen Büchern über seine Hauptfigur er sich hat inspirieren lassen. Ein Verfahren, das man sich manches Mal auch bei anderen Romanen mit historischen Stoffen wünschen würde.

 

„Der Sänger“ ist ein Roman über den lyrischen Tenor Joseph Schmidt, der als Sohn orthodoxer Juden in Czernowitz geboren wird und dort schon als Kind als Sänger in der Synagoge auf sich aufmerksam macht. Schon bald, sein großes Talent hat sich schnell überall in der Welt herumgesprochen,  füllt seine Stimme große Konzertsäle und er erobert in Deutschland, Europa und sogar in Amerika ein Millionenpublikum, ähnlich wie zu dieser Zeit nur noch Caruso oder der mit ihm befreundete Richard Tauber. Dem anderen Geschlecht nie abgeneigt, waren seine Frauenbeziehungen so vielfältig, wie es seine Stücke waren, die er schon früh auch auf Schallplatten aufnahm und die seinen Ruhm auch jenseits der großen Bühnen hauptsächlich in Europa verbreiteten.

Im Jahr 1942, in dem der mit vielen Rückblicken gespickte Roman spielt, hat es Joseph Schmidt auf einer langen Flucht vor den Nazis nach Südfrankreich verschlagen.

 

Lukas Hartmann erzählt, wie Joseph Schmidt, wie Tausende anderer Juden, krank und total erschöpft (später stellt sich heraus, dass er nicht nur seine Stimme nicht mehr nutzen kann, sondern schwer herzkrank ist), an der Schweizer Grenze, die 1942 schon total dicht gemacht worden ist (die Argumente der Regierung und von großen Teilen der Bevölkerung, die er immer wieder beschreibt, kommen einem seltsam aktuell vor) ausharrt, bis er mit Hilfe eines Schleppers und seinem letzten Geld auf die andere Seite an den Genfer See gelangt. Dort werden ihm einige aufrechte Schweizer Menschen helfen und ihn aus dem Lager, im dem er unter fürchterlichen Bedingungen mit Hunderten von anderen Juden ausharren muss (unter anderem trifft er dort den Philosophen Manes Sperber) holen und ihn zunächst in einem Krankenhaus und wenige Tage später, weil der judenfeindliche Arzt ihm nicht hilft,  in einem Gasthaus unterbringen.

 

Doch alles ist vergeblich. Der große und lange sehr wohlhabende Sänger Joseph Schmidt stirbt an einem Herzversagen und wird auf einem jüdischen Friedhof in der Nähe bestattet. Heute erinnern Erinnerungstafeln daran, dass er seine letzten Lebenswochen dort verbrachte.

 

Eine großartige literarische Hommage an einen lange vergessenen Künstler.