Rezension

Eine gut recherchierte und authentische Geschichte über die Liebe in Zeiten des Krieges. .

Mohnschwestern - Ilona Einwohlt

Mohnschwestern
von Ilona Einwohlt

Bewertet mit 5 Sternen

Immer wieder verlasse ich meine Comfortzone und greife zu einem Buch, dass vielleicht nicht unbedingt so mein Genre ist. So auch bei und mit MOHNSCHWESTERN von Ilona Einwohlt.

Und ich bin froh darüber, dass ich das Buch beim Stöbern durch die Neuerscheinungen entdeckt und es schließlich auch gelesen habe.

Ilona Einwohlt erzählt auf sehr eindringliche Weise, die Geschichte der 20-jährigen Lotte, die sich 1943 zum ersten Mal verliebt. In Wilhelm, der wie aus dem Nichts in ihr Bohnenbeet gesegelt kommt und der ihr ein absolutes Rätsel ist. Widerstandkämpfer auf der einen, Uniformträger auf der anderen Seite.

Ihre Liebe steht von Anfang an unter einem schlechten Stern, denn um sie herum tobt der Krieg, gemeinsame Stunden sind rar und kostbar und ein Bombenangriff in der Brandnacht droht ihr kurzes, aber inniges Glück für immer zu zerreißen...

Der Klappentext und diese kurze Zusammenfassung klingen ja irgendwie romantisch. Geheime Liebe im Versteckten, Tragik und so weiter. Aber dieses Buch ist SO VIEL MEHR.

Denn im Fokus steht vor allem Lottes Alltag mitten in Nazi-Deutschland. Sie lebt mit ihrer Mutter und den beiden Brüdern in der Deppertstraße, wo jeder jeden kennt und plötzlich nichts mehr so ist, wie es noch vor wenigen Wochen war. Der Vater dient an der Front, der Else, Blockwart, kontrolliert und schnüffelt allen Bewohnern hinterher. Lebensmittel und andere lebenswichtige Dinge werden knapp, der christliche Glaube wird in Frage gestellt, die Gestapo patroulliert durch die Straßen, man verprügelt Menschen, die sich nicht an die Regeln halten. Die eine Freundin wird zu Hitlers größtem Fan, während die jüdische Freundin von einem Tag auf den Nächsten verschwindet.

Die Autorin hat hier unglaublich gute Recherchearbeit geleistet und mich mit ihrer authentischen und detaillierten Erzählart mitten in die Wirren des Krieges katapultiert.

Besonders gelungen fand ich, dass die Autorin aufzeigt, wie schnell man sich radikalisieren lassen kann. Während Lotte das Nazi-Regime von Anfang an in Frage stellt und immer mehr begreift wie falsch es ist, was um sie herum passiert, während sie aufsteht und versucht ihren Beitrag beim Widerstand zu leisten, erlebt man auf der anderen Seite, wie sich die Menschen zunehmend haben einlullen lassen. Lottes Freundin Hedwig hat mich wirklich schockiert, auch wenn mir bewusst ist, dass es damals, wie leider auch heute, immer Menschen gab, bei denen diese Gehirnwäsche wunderbar funktioniert hat. Auch Tante und Onkel auf dem Land sind regimetreue Bürger und ich hätte vor Wut schreien mögen, weil sie so verblendet waren.

Außerdem fand ich den Blickwinkel auf das alltägliche Leben einer deutschen Familie sehr spannend. Wie sich der Krieg mit all seinen Seiten auf die einzelnen Charaktere ausgewirkt hat, wie sie einfach weitergemacht haben, in dem Wissen, nicht wirklich eine große Wahl zu haben. Wie sie an manchen Dingen gewachsen und an anderen gebrochen sind.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass es auch einen zweiten Handlungsstrang gibt, der in der Gegenwart beziehungsweise in den letzten fünf, sechs Jahren spielt und bei dem man sofort ahnt, dass es eine Verbindung zu Lottes Geschichte geben wird. Ich mochte diesen Strang tatsächlich nicht so gern, weil ich mit Hazel und ihrer distanzierten Art so meine Schwierigkeiten hatte, verstehe aber, nachdem ich das Nachwort der Autorin gelesen und die Geschichte beendet habe, warum sie diesen Handlungsstrang eingebracht hat.

Mich konnte das Buch absolut überzeugen und deshalb kann und möchte ich es auf jeden Fall an euch weiterempfehlen !