Rezension

Eine gute Biografie. Leider mit einigen Schwächen.

Mariss Jansons - Markus Thiel

Mariss Jansons
von Markus Thiel

Eine recht gute, aussagestarke Biografie, die das Phänomen Mariss Jansons als Dirigenten, Künstler, Musiker und einfach als feinen Menschen den Lesern nahbringt.

Die Aufgaben, die sich der Autor Markus Thiel am Vorwort gestellt hatte, wurden vollauf gelöst und die Biografie insg. gut gemeistert. Nach der Lektüre weiß man mehr über diesen großen Dirigenten unserer Zeit, über den Simon Rattle mal gesagt haben soll: „Der ist der Beste von uns allen.“

Den Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, den Jansons am 1. Januar 2016 dirigierte, hatte ich gut in Erinnerung. Ich war sehr beeindruckt. Daher war es absolut nachwollziehbar, dass die Musikwelt nach seinem Tod in der Nacht zum 1. Dezember 2019 stillstand. Ich war geschockt, über seinen Tod zu hören.

Die Biografie ließ sich flüssig lesen. Über die Jugendjahre und den Einfluss solcher Größen der Musikwelt wie Herbert von Karajan und Jewgeni A. Mrawinsky, zur langjährigen Arbeit in Oslo, später in Pittsburgh, München und Amsterdam mit einigen „Seitensprüngen“ zu BBC National Orchestra und zu Philharmonikern nach Wien. Besonders interessant waren u.a. die Kapitel über das kulturpolitische Engagement und den Kampf Jansons‘ für ein neues Münchner Konzernhaus, in dem eigener Saal für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks angedacht war.

Dass man einige Phrasen Jansons‘ aus den Gesprächen, seine Meinung zu einigen Begebenheiten, Ereignissen, seinem Lebensweg usw. hier und da vorfand, erwies sich als bereichernd. Das brachte die Person Mariss Jansons und die Dinge, die ihm wichtig waren, gleich näher. Auch seine Art mit dem Orchester zu arbeiten, die regelmäßigen Einladungen zu den Festen in den Palästen St. Petersburgs eingeschlossen, kam oft zur Sprache und trug zur Vervollständigung des Gesamtbildes bei.

Toll war auch, dass es hier viele Fotos Mariss Jansons‘ von seiner Kindheit bis zu den letzten Auftritten am Ende des Buches gab. Vorteile einer E-Book Version, schätze ich.

Weniger toll war die Art des Autors über die damaligen Gegebenheiten in der Sowjet Union zu schreiben. Das roch eine Spur zu deutlich nach Russland-Bashing und dem Heraufbeschwören des Feinbildes, das man ohnehin tagein tagaus von den „Qualitätsmedien“ serviert bekommt. Diese ideologischen Mätzchen hätte man mMn gern draußen lassen können. Wie auch das abwertende Zeug, das der Autor über die 7., „Leningrader“, Symphonie von Dmitri Schostakowitsch von sich gab. Das zog dieses Werk herunter, denn das passte nicht, weder zur Person Jansons, dieses Abwertende war bestimmt nicht seine Meinung über die 7.te gewesen, noch insg. Und warum, fragt man sich, findet so etwas überhaupt den Weg in Jansons‘ Biografie?

Man sieht auch deshalb recht deutlich, welche Zielgruppe hier ins Auge gefasst wurde, wenn man es für möglich gehalten hat, solche Dinge der Leserschaft zu bieten. Diese Geringschätzung ggü. dem Bildungsstand und dem Urteilsvermögen der Leser ließ sich dadurch klar durchblicken. Man wurde auch mit den musikalischen Feinheiten kaum „gelangweilt“.

Der Autor hat definitiv das Können, klar, verbindlich und emotionsbetont zu schreiben, sodass er den Geschmack des breiten Publikums gut bedienen kann. Auch die Auswahl der Themen und Schwerpunkte, sowie die Art der Stoffdarbietung insg. sprechen dafür.

Fazit: Eine gute Biografie, die man als Einsteiger gut nehmen kann. Auf so manche ideologischen Allüren, die hier definitiv fehl am Platz sind, wird man dann ein Auge zudrücken müssen. Es gibt aber auch viele gute Seiten: Es liest sich nett, recht unterhaltsam. Und liefert ein vielschichtiges Portrait des großen Dirigenten unserer Zeit und feinen Menschen Mariss Jansons.