Rezension

Eine gute Geschichte über ein wichtiges Thema, jedoch mit kleiner Schwäche

Irgendwas von dir - Gayle Forman

Irgendwas von dir
von Gayle Forman

Bewertet mit 4 Sternen

Zitate:

"Hört man auf, Eltern zu sein, wenn die Kinder gestorben sind?" Seite 11

"Dieser Frühling sollte nicht kommen. Irgendwie war ich davon überzeugt, es würde das ganze Jahr über Winter bleiben." Seite 74/75

"Es gibt vieles, was ich ihr nie gesagt habe. Und sogar noch mehr, was sie mir nicht gesagt hat." Seite 143

Meinung:

Cody verliert ihre beste Freundin Meg. Doch nicht einfach irgendwie, wie durch einen Unfall zum Beispiel. Nein, Meg begeht Selbstmord und keiner hat etwas geahnt. Am allerwenigsten Cody! Aber hat wirklich NIEMAND was geahnt? Und je länger Cody darüber nachgrübelt, wie es bei einem Mädchen, dass immer bunt, extrovertiert und lebensfroh war, soweit kommen konnte, desto seltsamer kommt ihr das Ganze vor. Ihr Bauchgefühl entscheidet, dass da etwas nicht stimmen kann und so geht sie auf die Suche. Nichtsahnend, wie Megs Exfreund Ben da reinpasst, oder wie groß die Gefahr ist, der sie sich aussetzt.

Nachdem 2016 gefühlt jeder von Gayle Foremans Zweiteiler "Nur ein Tag" und "Und ein ganzes Jahr" sprach, und ich die beiden Bücher nicht gelesen habe, wollte ich mein "Versäumnis" mit diesem Buch nachholen. 

Der von ihr gewählte Schreibstil ist flüssig, bildhaft und in zumeist übersichtlich langen Kapiteln gehalten, was einen angenehmen Lesefluss ermöglicht. 
Wir nehmen aus Codys Perspektive am Geschehen teil, die an sich eigentlich ein sehr interessanter Charakter ist - ja, zu dem "Aber" komme ich gleich noch :D
Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die eigentlich nie eine richtige Mutter war. Den Elternpart haben eigentlich immer eher Megs Eltern übernommen. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt, aber zumindest konnte sie durch ihre Freundschaft zu Meg erfahren, was Familie bedeutet. Die beiden Mädchen hatten einen Traum, nämlich, zusammen wegzugehen, gemeinsam zu wohnen und zu studieren. Leider konnte Cody daran auf Grund des fehlenden Kleingelds nicht teilnehmen.
Das führte in erster Linie dazu, dass sie sich alleine gelassen fühlte, ihre Wut auf Meg projizierte und sich zurückzog. 
Ihr könnt euch vermutlich schon denken, worauf das hinausläuft, oder? Durch ihren Trotz, hat sie nur noch wenig Bezug zu Megs Leben, als diese sich entscheidet, sich umzubringen. Es folgen das Bedauern und Reue ihrer Taten, die möglicherweise zum Verlust ihrer besten Freundin geführt haben könnten. Sie spürt eine Leere, die nur eine 2. Hälfte hinterlassen kann, und natürlich fühlt sie sich unheimlich schuldig. Und ja, einerseits leiden wir mit ihr, grübeln darüber nach, wie es soweit kommen konnte und sind empört über die im Buch erwähnten, sogenannten "Selbstmord-Selbsthilfeportale". 
Aber irgendwie fehlt mir einfach etwas. "Irgendwas von Cody" :D Trotz des schwierigen, starken und emotionalen Themas, bleibt sie relativ blass und oberflächlich. Vielleicht liegt es an ihrer unnahbaren Art, denn sie lässt eigentlich niemanden an sich ran, aber vermutlich lag es für mich daran, dass es mir so vorkam, als würden Probleme, Zwischenfälle usw. recht kurz, knapp und sachlich ad acta gelegt werden. Wir kommen zum Beispiel irgendwann an eine Stelle im Buch, an der sie von einer früheren Freundin herablassend angeschaut wird, da sie ihr Geld mit putzen verdient. Sie überlegt kurz, wie das Mädchen früher war und... Genau, nix! Thema erledigt. Das hat mich einfach stellenweise etwas verwirrt und mir den Bezug zu Cody etwas erschwert.

Ich muss jedoch gestehen, dass dieses Buch natürlich nicht alleine von Cody lebt. Ich für meinen Teil habe viel über die Themen gegrübelt, mit denen sich das Buch befasst. Verlust, Trauer, Schuld und der Umgang mit diesen Dingen sind sehr wichtige Themen, die wohl jeden von uns treffen und mich zum Nachdenken bringen. Vor allem, wenn ich dann etwas über die bereits erwähnten Selbstmord-Selbsthilfeportale lese. Eigentlich undenkbar, dass sich jemand damit beschäftigt, andere zum Selbstmord zu ermutigen und "nützliche" Tipps und Tricks an den Mann zu bringen, oder??? Aber in der heutigen Zeit... Naja, leider eben nicht so undenkbar. Aber sorry, für mich einfach krank! In Zeiten der Internetanonymität weiß ja letzten Endes keiner, ob man sich vielleicht mit einem 13-jährigen Mädchen mit Liebeskummer unterhält, oder einer todkranken Person, die keine Chance auf Heilung hat. Einfach unverantwortlich auch nur IRGENDJEMANDEN zu ermutigen! Ihr seht, ich rege mich schon wieder auf...

"Irgendwas von dir" ist eine bewegende Geschichte über Verlust und Trauer, aber auch Liebe und Freundschaft. Sie verläuft weitestgehend ruhig, besteht weniger aus Actionspannung, sondern eher aus emotionaler Bewegtheit und der Neugierde, was wohl hinter dem Ganzen steckt. Oder ob Cody eventuell in die Fänge der selben Machenschaften geraten könnte, falls diese wirklich existieren. 
Für mich ist Megs und Codys Schicksal eine Suche nach der Antwort auf das "Warum" und eine nachdrückliche Erinnerung daran, dass diese Art von Dunkelheit - zumindest in Ansätzen - in fast jedem von uns steckt.