Rezension

Eine Handtasche und die Liebe

Liebe mit zwei Unbekannten - Antoine Laurain

Liebe mit zwei Unbekannten
von Antoine Laurain

Bewertet mit 5 Sternen

~~Klappentext
Laurent ist Buchhändler in Paris. Auf dem Weg zur Arbeit findet er eine elegante Damenhandtasche – augenscheinlich gestohlen und achtlos weggeworfen. Die Tasche verrät ihm zwar nicht den Namen der Besitzerin, doch ihr Inhalt gibt einiges über sie preis. Laurent findet Fotos, einen altmodischen Spiegel, einen Roman mit Widmung des Autors und ein rotes Notizbuch, in dem die Unbekannte ihre Gedanken festgehalten hat, ihre Träume, was sie mag (den Geruch von Minze und Basilikum) und was nicht (langweilige Männer, Ameisen). Laurent ist fasziniert von dieser Frau, immer mehr verliebt er sich in ihre Gedanken. Also beschließt er, sich auf die Suche nach ihr zu machen …

 

Genau das war es, was Tabucchi mit seinem Titel besagte: Man ist an etwas Wichtigem vorbeigegangen. An einer Liebe, einem Beruf, einem Umzug in eine andere Stadt, ein anderes Land. An einem anderen Leben. Man ist daran vorbei-gegangen, aber doch so nah, dass man manchmal, in melancholischen, fast hypnotischen Momenten, trotzdem Teile dieses Möglichen erfassen kann. (…)Man hört das Lachen und die Liebesworte einer Frau, mit der nie etwas passiert ist. Vielleicht hat uns die Idee einer Liebschaft mit ihr gestreift. Vielleicht wäre sie einverstanden gewesen – wahrscheinlich sogar -, aber es ist nichts passiert. Aus irgendeinem unbekannten Grund haben wir dem köstlichen Schwindel der paar Zentimeter, die zu überbrücken sind, wenn man sich zum ersten Kuss einem anderen Gesicht zuneigt, nicht ergeben. Wir sind daran vorbei gegangen, so nah, dass etwas davon bleibt.“ (Seite 187)

Laure steht vor ihrer Haustür und sucht in ihrer Handtasche nach ihrem Haustürschlüssel. Plötzlich wird sie von hinten niedergeschlagen. Ein vermummter Mann entreißt ihr ihre Handtasche und flieht. Laure ist völlig schockiert und weiß nicht was sie machen soll. Die Polizei mag sie nicht rufen und ihre Freunde möchte sie auch nicht mitten in der Nacht behelligen. Da sie nicht in ihre Wohnung kann, beschließt sie im Hotel gegenüber nach einem Zimmer zu fragen, obwohl sie kein Bargeld hat. Der Portier hat Mitleid mit ihr und weißt ihr ein Zimmer zu. Als Laure zu Bett gehen will bemerkt sie, dass sie am Hinterkopf blutet. Sie legt sich ein Handtuch aufs Kissen, um dieses nicht zu beschmutzen.

Am nächsten Morgen, Laure hätte schon längst das Zimmer räumen müssen, schaut der Portier nach und findet Laure bewusstlos vor. Sofort wird sie in ein Krankenhaus gebracht. Doch stellt man fest, dass sie in einem leichten Koma liegt und eigentlich schnell wieder aufwachen müsste. Ihr Arbeitskollege und guter Freund kümmert sich um sie und ihre Katze.

Ein Zitat von Sacha Guitry fiel ihm ein:>Jemandem beim Schlafen zuschauen ist wie einen Brief lesen, der nicht für einen bestimmt ist<. (Seite 41)

Laurent ist Buchhändler aus Leidenschaft und hat vor einigen Jahren seine Buchhandlung eröffnet. Er hatte Glück, und konnte ein Ladenlokal mit Wohnung dafür finden. An diesem Morgen ist er auf dem Weg sein Lieblingscafé, als er eine sehr teure Damenhandtasche auf dem Sperrmüll einer Seitenstraße findet. Er ist sich sofort sicher, dass diese Tasche gestohlen und danach achtlos weggeworfen wurde. Laurent bringt die Tasche zur Polizei. Doch dort hat man keine Zeit für ihn. Also nimmt er die Handtasche kurzerhand mit zu sich. Erst am Abend kommt er dazu sich die Tasche und deren Inhalt anzuschauen. Er ist fasziniert von den Dingen, die er in ihr findet. So sehr, dass er sich vorstellt, wem sie gehören könnte. Er fragt sich, wie diese Frau wohl aussehen mag, die ein solches Notizbuch führt. Nach einigen Tagen beschließt er die Eigentümerin zu suchen. Doch so leicht wie Laurent sich das vorgestellt hat, wird es nicht. es kommt zu Verwicklungen und Missverständnissen. Doch wird er die Besitzerin letztendlich finden?

Er zog den goldenen Reißverschluss sachte bis ans andere Ende auf. Aus der Tasche stieg ein Duft von warmem Leder und Frauenparfum auf.“ (Seite 38)

Dieses kleine und feine Buch zieht von der ersten Seite an in seinen Bann. Ich habe in letzter Zeit nichts vergleichbares gelesen, dass so romantisch war und dabei gar nicht kitschig.

Kann es etwas Romantischeres geben, als einen Mann, der sich auf Grund eines Handtascheninhalts auf die Suche nach seiner Traumfrau macht? Denn Laurent hat sich mit jedem Gegenstand, den er in Laures Handtasche gefunden hat, ein bisschen mehr in Laure verliebt. Es sind die Kleinigkeiten, die sich darin befinden, die Sätze die sie in ihr Tagebuch geschrieben hat und die Widmung die Modiano in ihr Buch geschrieben hat.

Ein Zufall, ein paar Worte, und schon hatte eine Beziehung begonnen. Ein Zufall, ein paar Worte, und schon ist die gleiche Beziehung zu Ende.“ (Seite 108)

Die Sache mit Modiano hat mir sehr gefallen. Ich mag seine Bücher, und dass er in diesem Buch eine kleine Rolle hat, hat mir sehr gefallen. Vor allem seine Interpunktionsprobleme am Ende des Buches und wie er sie umgesetzte hat … einfach phantastisch.

„Zu wie vielen Dingen fühlt man sich nicht gezwungen, aus Prinzip, aus Höflichkeit, aus Wohlerzogenheit – Dinge, die einem schwerfallen und doch nichts am Lauf der Dinge ändern?“ (Seite 109)

Ein wundervolles Buch, das mich mit einem warmen Gefühl von Glückseligkeit und Liebe zurück gelassen hat. Leider war es viel zu schnell ausgelesen. Diese Buch muss man lesen, wenn man mal wieder etwas absolut romantisches lesen möchte, wenn man an die Liebe und das Glück glaubt.

Und Mädels … überlegt euch gut, was ihr so in eurer Handtasche mitschleppt. Wer weiß, vielleicht findet euer Traummann sie eines Tages …

 „Ich mag die Art, wie dieser Mann verschwindet,
ohne eine Adresse zu hinterlassen.
Ich mag seinen Brief.
Ich mag, dass er Buchhändler ist.
Ich habe Angst, dass er ein bisschen spinnt.
Ich habe Angst, ihm nie zu begegnen.“ (Seite 201)