Rezension

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Eine Hetzjagd mit einer starken Protagonistin

Die rote Löwin - Thomas Ziebula

Die rote Löwin
von Thomas Ziebula

Da ich gerne einmal historische Romane lese und diesbezüglich nicht auf ein Jahrhundert fixiert bin, hat mich das Buch direkt gereizt. Da bereits der Klappentext auf die Ausbildung zur Assassinin hinweist, musste ich das Buch einfach lesen.

 

Inhalt

 

Anno 1205. Nach dem Tod ihrer Eltern sind Runja und ihr Bruder auf sich allein gestellt. In Magdeburg geraten sie in die Fänge des machthungrigen Domdekans Laurenz. Dieser sieht in Runja die einmalige Gelegenheit, seinen Rivalen Pirmin auszuschalten. Denn Runja hat verblüffende Ähnlichkeit mit dessen toter Frau. Während er ihren Bruder als Geisel hält, zwingt Laurenz Runja in den Orden der Vollstrecker, wo sie zur Mörderin ausgebildet wird. Doch das Schicksal will es, dass sie sich in Pirmin verliebt. Nun muss sie sich zwischen dem Leben ihres Bruders und dem ihres Geliebten entscheiden.

 

Handlung

 

„Die Liebe ist geduldig und voller Güte. Sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. Die Liebe hört niemals auf.“

 

Seedorf 1205 – Das beschauliche Leben der Geschwister Rubina – auch Runja genannt- und Waldemar nimmt ein jähes Ende, als ihr Dorf von Wenden überfallen wird. Beide müssen den brutalen Tod der Eltern mit ansehen und Runja schwört ihrem Bruder, ihn immer zu beschützen. Der einzige Ausweg der Ihnen bleibt ist ein Onkel in Schwerin, zu dem sie sich auf den Weg machen. Doch auch diese Möglichkeit endet in einer Sackgasse, als sie Schwerin erreichen. Einzig und Allein die Kirche bietet Ihnen Zuflucht in Form eines Domdekans, der Runja zu den Nonnen sendet und an ihrem Bruder ein recht zweifelhaftes Interesse entwickelt. Laurenz, der Domdekan Schwerins hat jedoch ganz eigene Pläne. Um seinen Aufstieg voranzutreiben, muss er zumindest einen Widersacher aus dem Weg räumen und nimmt dafür die Dienste einer recht dunklen Bruderschaft in Anspruch, deren Bemühungen jedoch scheitern. Da Runja jedoch bereits früh von ihrem Vater eine Kampfausbildung genoss zieht sie die Aufmerksamkeit des Dekans auf sich und ein perfider Plan reift heran. Während Runja sich verliebt, wird sie auf ihre neue Liebe angesetzt und muss eine bittere Wahl treffen.

Wessen Leben will sie schützen?

 

Autor

 

Der Autor selbst – Thomas Ziebula – hat wendische Eltern und wuchs als Kind in einem wendischen Dorf an der Niederlausitz auf. Bereits als Kind erzählte er seinen Geschwistern Geschichten und fing früh an zu schreiben. Diese Passion hat er nie aufgegeben und schreibt nunmehr seit über 20 Jahren. Auch als Prediger und Diakon hat er Erfahrungen gesammelt. Sein Lebenslauf scheint einen perfekten Rahmen für das Schauspiel um die rote Löwin zu bieten.

 

Schreibstil

 

Der Autor jagt durch den Roman, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her. Der klare, kurzangebundene Schreibstil fokussiert sich auf das Wesentliche und verzichtet auf großartiges schmückendes Beiwerk. Es wird weder vor den gesellschaftlichen Verfehlungen noch vor der Brutalität des menschlichen Seins halt gemacht. Jedes Buch – von denen es 3 gibt – jedes Kapitel, jede Seite wird auf den Punkt gebracht. Das vermittelt dem Leser jedoch ab und an, etwas zu verpassen. Gern hätte man hier oder da etwas mehr erfahren. Doch war dieses Buch in eben dieser Form ein Experiment und wenn man sich darauf einlässt, kann man es nicht ungelungen nennen.

 

Ebenen und Charaktere

 

Die Erlebnisse werden aus zwei Sichten erzählt. Zum einen aus der Sicht von Runja, der Protagonistin, die auf der Flucht ist und jederzeit ihre Rache im Fokus hat. Auf der anderen Seite steht der Domdekan Laurenz, der seine eigenen Ziele verfolgt und für das Erklimmen der Karriereleiter vor nichts halt macht. Beide sind und bleiben unnahbar, wobei es durchaus gelingt Sympathien und Antipathien aufzubauen. Doch auch in diesem Buch ist selten etwas ganz weiß oder schwarz. Die Erzählweise aus zwei Perspektiven hat jedoch ihren ganz eigenen Charme, wobei auch Charme hier ein mit Vorsicht zu genießendes Wort ist. Denn oftmals sind die Beschreibungen schonungslos offen und nehmen kein Blatt vor den Mund auf die Missstände der Zeit und das Wesen der Figuren aufmerksam zu machen.

Weitere wichtige Figuren sind Runjas Bruder Waldemar, der jedoch durch die Beschreibungen Runjas und des Domdekans lebt, sowie Pirmin, Runjas Lehrer zu welchem sie eine zarte Beziehung aufbaut. Auch ihn sieht man nur durch die Augen von Runja und Laurenz, wobei es sich hierbei um zwei völlig verschiedene paar Augen handelt, die den jungen Gelehrten betrachten. Einmal als große Liebe und einmal als größten Feind.

Umfeld

 

Eingebettet ist die Geschichte in eine historische Landschaft der Zeit des beginnenden dreizehnten Jahrhunderts. Eine Karte zu Beginn des Buches, eine Zeittafel und ein Personenregister erleichtern den Einstieg sehr und helfen jederzeit, sich zurecht- oder wiederzufinden, sollte man das Buch wirklich mal eine Weile aus der Hand legen. Aber der gehetzte Schreibstil macht auch hier nicht halt und so erhält man zwar schemenhafte Umrisse der einzelnen Orte – wie etwa einem Badehaus, Pirmins Anwesen oder dem Umland, die Ausgestaltung ist jedoch der eigenen Fantasie überlassen.

 

Meinung

 

Ich bin durch das Buch gejagt, als wäre ich auf der Flucht. Der Schreibstil des Autors lässt dem Leser kaum Zeit Luft zu holen oder zu erkunden. Man ist auf der Jagd – zusammen mit Runja – und es bleibt keine Zeit für einen Blick zurück. Zum Ende hin nimmt das Buch noch einmal mehr an Fahrt auf, so dass man dem Finale entgegen jagt, als wäre der Teufel persönlich bereits in Reichweite. Das Buch ist nüchtern und klar, brutal und schonungslos, ich hatte jedoch zu keiner Zeit das Gefühl, dass etwas zu viel wäre. Manches Mal hätte ich mir gar etwas mehr gewünscht, mehr Einblick in die Tiefe der Seelen, mehr Umgebung, mehr Setting, doch das hätte wohl nicht zu diesem Experiment gepasst. Jedoch fürchte ich, dass das Buch langfristig nicht mehr Erinnerungen hinterlässt als die einer Hetzjagd und verblassender Figuren, denn wirklich durchdrungen habe ich sie fürchte ich nicht.

 

Fazit

Eine Hetzjagd vor einer wunderbaren historischen Kulisse. Der Autor macht keine Kompromisse. Kurz und klar wird ein Szenario aufgezeigt, wie es tatsächlich hätte entstehen können, eingebettet in die historischen Geschehnisse des beginnenden dreizehnten Jahrhunderts. Eine starke Protagonistin wird umrissen und ihr Weg zieht sich wie eine Schneise der Verwüstung durch das Buch, nicht schonend, nicht verhätschelnd, sondern in aller Klarheit und Brutalität. Hier sollte jeder selbst wissen, ob das zu der gewünschten Literatur zählt. Ich persönlich hätte ich mich über 150-250 Seiten mehr gefreut. Seiten in denen ich tiefer in Runja hätte eindringen können, in Pirmin oder die Umgebung erkunden. Vielleicht ja in einem anderen Werk des Autors, denn diese werde ich trotz der leisen Kritik verfolgen.