Rezension

Eine Kindheit in einem katholischen Kinderheim

Aussortiert: Kind 351 - Anke Gebert

Aussortiert: Kind 351
von Anke Gebert

Bewertet mit 5 Sternen

Bernd K. erzählt seine Kindheit in einem katholischen Kinderheim. Aufwühlend, fassungslos und ohne Liebe.

Frank  kommt mit seinem bescheidenen Leben gut zu Recht, er liebt seinen Sohn und seine Frau über alles. Bis eines Tages ein Brief des Sozialamts Osnabrück bei ihm im Briefkasten liegt und ihn auffordert für die Pflege seiner Mutter aufzukommen…. Dieser Brief katapultiert Frank zurück in seine Kindheit, die ohne seine Eltern verlief, denn er wuchs in einem katholischen Kinderheim auf und kennt seine Mutter überhaupt nicht…

„Ich meine verlorene Kindheiten. Durch unfähige Eltern. Verkorkste Kindheiten. Ich meine Vernachlässigungen, die Tag für Tag stattfinden. Ohne dass jemand etwas dagegen tut. Wenn zum Essen und zum Anziehen für die Kinder ausreichend da ist, dann gibt es für niemanden einen Grund einzuschreiten. Aber viele Kinder bekommen nicht, was sie wirklich brauchen. Emotional, meine ich. Oder vom Kopf her“. (Seite 64)

Die Autorin Anke Gebert erzählt hier die wahre Geschichte von Bernd K, der hier als Frank aufgeführt wird. Aber das Schicksal von Bernd haben Millionen Menschen in den 60.igern durch die Kirche, durch Heime und Einrichtungen erlebt, heute wissen wir mehr davon, schockierende Details die Unglaubliches ans Licht bringen.

Der Schreibstil ist erstmal ruhig, die Autorin erklärt im Vorwort wie es zu dieser Geschichte kam, dass hier die Geschichte von Bernd erzählt wird. Und diese Geschichte hat es in sich.

Ich möchte gar nicht zu viel verraten denn das Buch hat „nur“ 147 Seiten, aber es sind Seiten die berühren, die schockieren, die ein Zeitzeugnis darstellen. Nicht nur Bernd hat dies wohl so erlebt, sondern viele Kinder vor und nach ihm. Und erst mit der Zeit wird ihnen Gehör und vor allem Glaube geschenkt.

Schockiert war ich auch von der Bürokratie Deutschlands, denn Frank soll für seine Mutter aufkommen, die er aber noch nie gesehen hat. Sie hat ihn nie besucht, ihm nie etwas geschickt oder nach seinem Wohlbefinden gefragt. Auch seine Schwester hat Frank lange nicht mehr gesehen, sie wurden getrennt und durch Nachforschungen kam dann heraus dass sie einander und das gleiche Schicksal geteilt haben.

Wie es zu dieser Situation kam wird gleich zu Beginn erzählt und hat mir, emotional und menschlich, den Magen umgedreht. Ich war unglaublich wütend auf diesen Menschen der sich Mutter nennt und der alles doch egal war, Hauptsache sie wird die Kinder „kurz“ los. Und dann war es ihr eigentlich nur Recht und egal. Ich kann die Wut, die Enttäuschung von Frank komplett nachvollziehen.

Was Frank mit anderen Kindern in diesem Heim erleben musste geht unter die Haut. Es macht traurig wenn man bedenkt wie jung die Kinder dort waren und wie sie behandelt wurden. Reiner Eigennutz, Ausnutzen als billige Arbeitskraft, von Liebe und Fürsorge keinerlei Spuren. Umso älter die Kinder werden umso schlimmer wird es für sie, auch für Frank passieren einige Dinge die der Leser am Ende erzählt bekommt und man merkt – ihm ging es wie vielen und die Gesellschaft ist verpflichtet hinzusehen, hinzuhören und Wiedergutleistung zu tragen. Gerade von den Trägern die sich damals diese ganzen Grausamkeiten herausgekommen haben.

Eines von vielen Büchern, von vielen Opfern welches immer wieder, erneut aufwühlt, bewegt und einen fassungslos werden lässt. Ich schließe mich den Worten der Autorin an – Danke an Bernd K. der seine Geschichte erzählt hat, der Mut bewiesen hat um zu kämpfen, um sich Gehör zu verschaffen.