Rezension

Eine Kindheit inmitten des Krieges

Der Hütejunge - Ulrike Blatter

Der Hütejunge
von Ulrike Blatter

Bewertet mit 5 Sternen

Der Junge, dessen Namen die Mutter nicht aussprechen mag, wird 1934 in ein kleines Eifeldorf hineingeboren. Vor dem Krieg mussten schon alle mit anpacken  und der heranwachsende Junge war stolz, seinen Beitrag als Hütejunge zu leisten. Auf die Kühe aufpassen, das konnte er. Ein aufgeweckter, neugieriger Junge, der seine Welt erobern will. Fast könnte man meinen, es sei eine glückliche Kindheit gewesen.  Dann war Krieg, sie hatten nicht viel. Nie viel gehabt. Der Vater war früh gestorben, das Geld immer knapp. Mutter hielt alles zusammen, sie alleine musste die Familie, die sechs Kinder, durchbringen.

Ulrike Blatter beschreibt mit ihrem „Hütejungen“ ein Stück Zeitgeschichte. Es sind die Kindheitserinnerungen ihres Vaters, fiktiv verändert. Aus Kindersicht, ohne erhobenen Zeigefinger, sind all diese Schrecken, die grausamen, ja unmenschlichen Vorkommnisse in Kriegszeiten  behutsam erzählt. Der Leser begleitet den Jungen, seine Familie und die Dorfbuben durch diese entbehrungsreichen Jahre, durch die Sommer und die eiskalten Winter. Seine jugendliche Neugier erspäht so einiges. Er sieht viel, ist ein guter Beobachter und ein sehr liebenswerter Charakter. Wir sind immer nah dran am Jungen und sehen die Welt oft mit seinen Augen, als ob er einen an die Hand nimmt und durch diese schwere Zeit führt, dem Schrecken das allzu tragische nimmt. Man spürt so richtig, dass es hier ums Überleben geht  - irgendwie. Jeder leistet seinen Beitrag, so gut er eben kann.

Ein sehr eindringliches Buch, dessen Geschichte mich sofort mitgenommen hat. Mit dem Jungen und seiner Familie ging, durchlitt und durchlebte ich diese Jahre, konnte deren Handlungsweise gut nachvollziehen und war und bin unendlich dankbar, dass ich in Friedenszeiten ohne große Not groß werden konnte. Sehr schön und aufschlussreich finde ich den bebilderten Teil in der Buchmitte, so wird das gelesene nochmals sehr anschaulich dargestellt.

Die Autorin erzählt alles, ungeschönt. Und doch wendet man sich nicht ab, liest weiter. Das geht, das kann man aushalten. Lebendig, ja behutsam geschrieben. Ein sehr schöner, ein leiser Erzählstil. Wie ich finde, ein sehr wichtiges Buch, das jeder lesen sollte.