Rezension

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Eine klare Leseempfehlung

Everything I Ever Needed - Kim Nina Ocker

Everything I Ever Needed
von Kim Nina Ocker

In „Everything I ever needed“ geht es um Dexter und Ava, die zusammen an der Preston University studieren. Jeder der beiden hat sein eigenes Päckchen zu tragen, Ava lebt mit einem neuen Herz und Dexter kämpft mit Dämonen aus seiner Vergangenheit. Dennoch fühlen sich die beiden zueinander angezogen, doch etwas steht ihrer Liebe im Weg…

 

Der Schreibstil von Kim Nina Ocker ist sehr angenehm zu lesen, ich mochte sowohl die lebendigen Dialoge als auch die tiefgründigen Gedanken der Protagonisten. Mir hat auch gefallen, dass die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt wurde, denn es spoilerte den Plot nicht, der Twist hatte nämlich weniger mit den Gefühlen der Protagonisten zu tun und mehr mit einem anderen Element, das den Leser bis zum Ende auf die Folter spannte.

Zudem übte das Buch einen unglaublich krassen Suchtfaktor auf mich aus, da die Kapitel immer mit kleinen Cliffhangern endeten und ich deshalb nicht anders konnte als weiterzulesen und ein Kapitel nach dem anderen zu verschlingen.

 

Die angesprochenen Themen berührten mich und vor allem das Thema Organspende hat die Autorin unfassbar gut umgesetzt. Es war ein wichtiger Teil der Geschichte, aber wirkte trotzdem an keiner Stelle künstlich bzw. gewollt und verlieh der Storyline auch keine zu kitschige Note, was mir sonst oft bei Liebesgeschichten auffällt, in denen Organspenden eine Rolle spielen.

Bei einem Punkt wurde ich leider enttäuscht, ich hatte mir abgesehen von dem Thema Organspende noch Fokus auf Dexters Alkohol- und Drogenproblem gewünscht. Dieses war nämlich schon ein wesentlicher Bestandteil des ersten Bandes, weshalb ich dachte, dass es im zweiten bestimmt ausführlich behandelt werden würde. Wahrscheinlich hatte ich aber durch den ersten Band die falschen Erwartungen, denn es wurde ja schon angesprochen, nur nicht so tiefgehend, wie ich mir erhofft hatte.

 

Ava als Protagonistin war durchaus vielschichtig, jedoch kommt es mir im Nachhinein so vor, als wenn der/die Leser/in sie nie wirklich kennengelernt hat. Man kannte ihre Grundcharakterzüge, aber wenig ihrer tiefergehenden Gedanken. Im ersten Drittel beschränkten sich ihre Gedanken dazu nur auf ihre Sorgen und Zweifel gegenüber Nathan. Die Art und Weise, wie Nathan in das Buch eingebaut wurde gefiel mir leider gar nicht. Am Anfang führte Ava eine absolut toxische Beziehung mit ihm, die mit einem Betrug von beiden Seiten endete. Dieser wurde für mich auch etwas zu harmlos dargestellt, zumindest was Avas angeht, denn auch wenn sie Dexter nur geküsst hat, war es trotzdem nicht in Ordnung und ich hätte mir mehr Deutlichkeit bezüglich des Themas gewünscht. Jedenfalls war ich erleichtert, als es endlich zur Trennung von Ava und Nathan kam, danach verschwand Nathan aber komplett von der Bildfläche, was ich irgendwie als unauthentisch empfand. Die beiden hätten sich wenigstens noch am Campus über den Weg laufen können, eine Aussprache am Ende wäre natürlich auch schön gewesen, jedoch hätte mir Nathans Auftauchen in einigen Szenen im Hintergrund schon gereicht.

Doch zurück zu Ava, sie war eine sehr herzensgute und entschlossene Person, mir gefiel ihr Selbstbewusstsein, das immer mehr zunahm. Dadurch, dass der Fokus mehr auf Dexters Gefühlwelt lag, verlor ich den Anschluss zu Avas Gedanken ein wenig und muss nach wie vor sagen, dass ich nie tiefgehende Gedanken von ihr gelesen habe. Dennoch war sie mir nicht unsympathisch, ich hätte sie nur gerne näher kennengelernt.

 

Dexter war kompliziert. Und dabei meine ich in erster Linie nicht seinen Charakter, sondern seine Beziehung zu mir. Es kam einer Hass-Liebe schon ziemlich nahe, wobei die Liebe definitiv gewann. Ich liebte es, dass er ungefiltert sprach und genauso dachte, ich liebte aber auch seine schmutzigen und frechen Sprüche, dafür hasste ich sein besitzergreifendes Verhalten, wobei es auch schon süß war. Vor allem im letzten Drittel konnte er mich dafür vollkommen überzeugen, denn seine Gedanken berührten mich. Die Art, wie er dachte, dieses leicht selbstzerstörerische Gedankengut in Kombination mit Trauer, Wut, Zweifel und Angst sorgte dafür, dass ich ihn einfach in den Arm nehmen wollte. Dexter öffnete sich im Laufe der Geschichte immer mehr, nicht nur Ava und seinen Freunden gegenüber, auch den Lesern und das fand ich unglaublich schön, denn man konnte seine Entwicklung mitverfolgen.

 

Die Protagonisten kamen erst relativ spät im Buch zusammen, was mich aber nicht störte, denn alles andere hätte sich nicht richtig angefühlt. Das hin und her konnte ich gut nachvollziehen, vor allem weil sich dieselben Situationen nicht immer wiederholten, sondern da immer neue Probleme auftraten. Das Ende könnte man als schnell abgehandelt oder kitschig sehen, mich hat es aber einfach nur emotional abgeholt. Bei den letzten Seiten konnte ich komplett abschalten und habe gemerkt, wie ich diese Geschichte vermissen werde. Die Szene am Friedhof hat mir förmlich die Kehle zugeschnürt, ich kann selber nicht in Worte fassen warum genau. Die Atmosphäre hat bei mir einfach viele Gefühle hervorgerufen.

 

Generell lebte das Buch meiner Meinung nach von Gefühlen. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass die Gefühle eher durch atmosphärische Beschreibungen und Gedanken der Protagonisten hervorgerufen wurden, denn die Gespräche waren meistens oberflächlich. Natürlich gab es auch tiefgründige Szenen zwischen den Protagonisten, jedoch dachten sie viel umfassender, als sie sprachen.

 

Insgesamt war die Geschichte eindrucksvoll und lebendig, doch vor allem sehr authentisch. Die Charaktere, sowohl die Protagonisten, als auch die Nebencharaktere, konnten mich mit ihrer Vielschichtigkeit für sich gewinnen und der Plot war in jeder Hinsicht überzeugen. Nur anfangs hatte ich einen etwas holprigen Start und noch Schwierigkeiten mit den Protagonisten, ansonsten überzeugte mich das Buch und ist eine klare Leseempfehlung.