Rezension

Eine Kleinstadt aus der Hölle

Cry Baby - Scharfe Schnitte - Gillian Flynn

Cry Baby - Scharfe Schnitte
von Gillian Flynn

Bewertet mit 4 Sternen

 
Camille Preaker ist eine junge Reporterin bei einer kleinen Zeitung in Chicago. Sie hat eine nicht gerade glückliche Kindheit hinter sich, ihre geliebte jüngere Schwester Marian ist früh gestorben und Camille hat in den nachfolgenden Jahren begonnen sich zu ritzen. Inzwischen ist fast ihr gesamter Körper mit eingeritzten Wörtern "verziert".
In ihrer Geburtstadt Wind Gap wurde vor einem Jahr ein Mädchen ermordet und dem Kind wurden die Zähne gezogen. Weil jetzt in diesem kleinen Ort wieder ein Mädchen (die zehnjährige Natalie Keene) verschwunden ist, wird die junge Reporterin von ihrem Chef nach Wind Gap geschickt, um eine Story darüber zu schreiben.
 
Während der Recherche lebt Camille im Haus ihrer Mutter. Das ist keine sehr glückliche Zeit. Camilles dreizehnjährige  Halbschwester Amma ist ein ausgekochtes Früchtchen. Einerseits sehr kindlich, wenn sie zu Hause bei der Mutter ist, ansonsten sehr frühreif, mit Hang zu Drogen und mit sehr bösartigen Streichen gegenüber anderen Mädchen.
 
Camilles Recherche-Arbeiten werden von den Bewohnern Wind Gaps nicht freundlich aufgenommen. Camille muss sich auch mit ihrer Familie auseinander setzen, weil die Verbrechen anscheinend irgend etwas mit ihrer Familie zu tun haben. Und dann ist ausgerechnet Camille eine Zeugin, als die Leiche des verschwundenen Mädchens auftaucht...
 
 
==Meine Meinung==
 
So ein verschlafenes kleines Städtchen wie Wind Gap sollte eigentlich ein Hort der Geborgenheit sein, oder? Das ist aber überhaupt nicht der Fall, und das wird schon klar, als Camille über ihre Kindheit erzählt: Damals wurde ein Mädchen auf dem Schulhof von einigen Rowdys gezwungen, sich vaginal einen Stock einzuführen. Camille und andere Kinder wurden gezwungen, zuzuschauen. Und die Reaktion der Schulleitung? Die Opfer mussten sich vor der Schulklasse entschuldigen! (Die "Logik" dahinter: Junge Damen müssen sich beherrschen, weil Jungen das nicht können!)
Auch ansonsten liegt in dieser Kleinstadt einiges im Argen.
 
Der Schreibstil war für mich erst etwas gewöhnungsbedürftig. Der Thriller ist in der Ich-Perspektive aus Camilles Sicht geschrieben. Zuerst beschreibt die Heldin Banalitäten aus ihrem Leben, so dass das Buch fast wie einer dieser "heiteren Frauenromane" anfängt.
 
Allerdings wird das Geschehen bald recht düster. Camille ist eher eine Anti-Heldin mit einem Hang zu viel Alkohol. Als Leser macht man sich Sorgen um sie und möchte, dass sie die Kleinstadt des Grauens verlässt. Sympathieträger gibt es in der Geschichte nur wenige. In dieser Geschichte gibt es keinen Humor und auch keine glückliche Liebesgeschichte als Ausgleich.
Ich habe beim Lesen eine regelrechte Abscheu gegen die Leute dieser Kleinstadt entwickelt. Die Frauen (z.B. Camilles ehemalige Schulfreundinnen) sind entweder Matronen geworden, die nur noch ihre Familie mit möglichst vielen Kindern im Sinn haben. Oder sie haben einen starken Hang zu Rauschmitteln. Die Männer sind seltsame Gestalten (wie Camilles Stiefvater, der durch geerbtes Vermögen so reich ist, dass er nie arbeiten musste).
 
Die Spannung steigert sich im Verlauf der Geschichte und die letzten 100 Seiten konnte ich das Buch dann tatsächlich nicht mehr aus der Hand legen.
 
Ich habe das Buch gern gelesen und es als sehr spannend empfunden. Es hat mir gut gefallen, dass gegen Ende nochmal eine Überraschung kommt. Ich werde sicher auch noch die anderen Thriller der Autorin lesen.