Rezension

Eine Köchin auf Abwegen ...

Liebe ist die beste Köchin - Irmgard Kramer

Liebe ist die beste Köchin
von Irmgard Kramer

Die wilden Weiber vom Gasthaus "Lamm" - so nennen die eigenwilligen Dorfbewohner die Frauen der Familie Lehner. Johanna, die 38-jährige Köchin des Gasthauses, hat es nicht leicht mit ihren vier durchgeknallten Tanten und ihrer Mutter, die trotz Demenz in der Küche mithelfen will. Und als dann noch der Buchhändler Jérôme auftaucht und Johanna den Kopf verdreht, ist das Chaos komplett. Doch Johanna ahnt nicht, dass die Begegnung mit dem geheimnisvollen Jérôme ihr Leben auf eine Weise verändern wird, mit der sie nie gerechnet hätte.

Eigentlich bin ich keine Frauen-Roman-Leserin, aber Liebe ist die beste Köchin von Irmgard Kramer hat mich zutiefst beeindruckt und begeistert, weil die Autorin ihre mehrköpfige Truppe mit allzu menschlichen Eigenschaften ausgestattet hat. Die lebendigen Charaktere wirken temperamentvoll, eigenwillig, realistisch und auch die Handlungen erscheint zunächst logisch und der Wirklichkeit zu entspringen. Irmgard Kramer hat unverwechselbare, kaum austauschbare Persönlichkeiten geschaffen, so dass man zu jeder einzelnen Figur eine Beziehung aufbauen und deren Handeln sowie Benehmen nachvollziehen kann. Die einzelnen Kapitel sind in sich vom Ablauf harmonisch und geschickt wie ein Menue aufgebaut: Sie beginnen langsam, dann steigt die Spannung - bis sich alles wieder beruhigt. Dass jedes Kapitel mit einem Auszug aus der Gemeinde-Chronik beginnt, ist keine schlechte Idee. Hätten diese aber gefehlt, wäre es mir gar nicht aufgefallen ...

Die Autorin hat mich mit ihrem sehr speziellen und gesunden Humor von der ersten bis zur letzten Zeile perfekt unterhalten. Die Atmpsphäre ist stimmungsvoll. Der Reiz liegt im alltäglichen und ganz normalen Wahnsinn, der sich im Verlauf der Geschichte dann leider doch auf märchenhafte Weise auflöst. Bis Seite 297 habe ich die Geschichte mit Begeisterung verschlungen, dann schlug sie mir leider auf den Magen. Obwohl man als aufmerksamer Leser bereits nach wenigen Kapiteln ahnt, wohin die Reise gehen wird, war mir der überraschende Wandel etwas zu peinlich. Die letzten 100 Seiten habe ich eher mit Skepsis gelesen. Das war mir dann alles eine Nummer zu weit hergeholt, andererseits vorhersehbar. Vielleicht fehlen mir auch einfach nur ein paar Östrogene. Keine Ahnung ...

Abgesehen von der Handlung und dass der Titel nicht zur Geschichte passt, obwohl sich alles ums Wirtshaus und ums Kochen zu drehen scheint (was glücklicherweise nicht übertrieben dargestellt wird - es ist also kein Kochbuch!), bin ich von dem amüsanten und flotten Schreibstil mehr als beeindruckt. Die Autorin fasziniert mich mit ihrer Unterhaltungskunst: fesselnd, spannend, eindringlich, originell. Eine überaus amüsante und zeitlose Geschichte, die mich zumindest über 300 Seiten berührt hat, dann aber leider mit einem enttäuschenden Ende und hängenden Mundwinkeln zurück ließ. Ich ziehe eine Haube ab, weil mir der Digestif nicht gemundet hat. Sorry!

Ein tolles Buch über eigenwillige Frauen zwischen 14 und 99 Jahren für ganz normale Frauen zwischen 14 und 99 Jahren.