Rezension

Eine leise Geschichte mit Tiefgang

Betrunkene Bäume - Ada Dorian

Betrunkene Bäume
von Ada Dorian

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT  
Professor Erich Warendorf ist weit über 80 und etwas verwirrt.   
Es fällt ihm mehr und mehr schwer, den Alltag allein zu bewältigen. Einzig für seine geliebten Bäume, die er heimlich im Schlafzimmer seiner Wohnung züchtet, hat er noch Kraft und Interesse.  

Als eines Tages die 16-jährige Ausreißerin Katharina in der Wohnung nebenan einzieht, freundet man sich schnell an. Der einstige Experte für Permafrost und Physische Geografie findet in Katharina nicht nur eine Haushaltshilfe, sondern auch eine Gesprächspartnerin.   
Und beide verbindet eine Sehnsucht nach Sibirien... 

MEINUNG 
Ada Dorians Erstling "Betrunkene Bäume" ist eine leise, aber durchaus komplexe Geschichte, die sich dem Leser erst nach und nach erschließt. Am Beginn der Lektüre hatte ich mit den einzelnen Charakteren und Handlungssträngen so meine Schwierigkeiten, die sich im Laufe der Handlung aber legten. 

Dorians gemächliche, fast schon dahinplätschernde Erzählweise passt zum eng verwobenem Plot.  

Erich als auch Katharina vermissen jeweils eine geliebte Person in Sibirien. Während Erich jahrelang seiner Frau Dascha nachweint, sorgt sich Trennungskind Katharina um ihren Vater Rolf. Damit ist Sibirien der Anker bzw. das Pflaster zwischen den beiden ungleichen Freunden. Katharina hofft durch Erich mehr über ihren Vater zu erfahren und Erich will noch einmal seine Dascha sehen. 

Doch inhaltlich hat dieser Roman mit dem ulkigen Titel "Betrunkene Bäume" - eine Anspielung auf durch den Klimawandel geschädigte Wälder - noch mehr zu bieten. So geht es u. a. um diese Folge der Erderwärmung, was ich sehr lehrreich und aufschlussreich fand. Darüber hinaus beschäftigt sich der Roman mit so großen Themen wie Heimat, Entwurzelung, Verrat und Schuld. So erfährt man beispielsweise durch geschickte Rückblenden in Erichs Vergangenheit von einer besonderen wie tragischen Freundschaft mit einem sibirischen Eigenbrötler. Ebenso wird man emotional von Katharinas zerütteten Familienverhältnissen gepackt.  

Das Besondere an Dorians Werk sind die häufigen Perspektivwechsel und seelisch gebrandmarkten Charaktere. Nur Stück für Stück dringt man in dieser engmaschigen Geschichte vor.  
Das Ende, bei dem alle Stränge dann harmonisch zusammenfinden, ist gelungen und war mein persönliches Highlight.  

FAZIT 
Ein faszinierender Roman über das Festhalten und Loslassen im Leben, der berührt und zugleich nachdenklich stimmt.