Rezension

Eine lesenswerte Kombination aus Gesellschaftskritik, Spannung und Zukunftsvision

Falling Skye - Kannst du deinem Verstand trauen? - Lina Frisch

Falling Skye - Kannst du deinem Verstand trauen?
von Lina Frisch

Bewertet mit 4 Sternen

„Kannst du deinen Gefühlen trauen“ ist der erste Band der Reihe „Falling Sky“ und stammt aus der Feder von Lina Frisch. Dieser Jugendroman bietet eine lesenswerte Kombination aus Gesellschaftskritik, Spannung und Zukunftsvision.

"Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man genau weiß, was gleich passieren wird - und man das Unausweichliche trotzdem nicht ändern kann. Der Boden fliegt auf mich zu und ich schließe die Augen."
 Zitat aus "Falling Sky - Kannst du deinem Verstand trauen" von Lina Frisch, Seite 5.

So beginnt Skys Geschichte – eine Dystopie im Bereich Jugendliteratur, die politische Themen aufgreift und den Leser zum Nachdenken anregt. Lina Frisch bedient sich auf den ersten Blick an typischen Elementen aus dem Bereich Jugenddystopie, punktet aber mit einer soliden, lesenswerten Umsetzung. Die Autorin zeichnet in ihrer Reihe eine Welt, die dem klassischen Aufbau einer Dystopie im Jugendbuchsektor gleicht. Die USA existieren nicht mehr - im Zuge des Umbruchs wurde  aus den Vereinigten Staaten die Gläserne Nation. Die Kombination aus Überwachung und einem Zwei-Klassen-System sorgt vermeintlich für Ruhe und Frieden. Es herrscht eine allgemeine Gleichheit, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Die Gesellschaft wird in zwei Traits geteilt: Ratio (Rational) und Senso (Emotional). Jeder Bürger muss der Bestimmung seines Traits nachkommen und dementsprechend rationale Berufe, wie z.B. Arzt,  oder emotionale Berufe, wie z.B. Erzieherin, ergreifen. Bis zum Tag ihrer Testung hatte Sky nie einen Grund, am System zu zweifeln. Doch schon bald gerät ihre Systemtreue ins Wanken.

"Ich öffne meine Hand und finde ein schlankes Etui aus Silber darin. Der Druck meines Zeigefingers lässt eine kleine Messerlinge hervorschießen. Mit klopfendem Herzen starre ich auf die Waffe in meiner Hand. Was wird das Konsilium in der nächsten Aufgabe von uns verlangen?"
 Zitat aus "Falling Sky - Kannst du deinem Verstand trauen" von Lina Frisch, Seite 311.

Zu Beginn erkennt der erfahrende Vielleser einige bekannte dystopische Elemente. Doch entgegen der typischen Jugenddystopien setzt Lina Frisch weniger auf nervenzehrende Spannung und actionreiche Szenen. Der Fokus des Buches liegt eher auf der psychologischen Ebene, die der Zielgruppe entsprechend gut ausgearbeitet wurde. Die Testung verlangt Sky und ihren Mitstreiterinnen alles ab. Schnell stellt sich die Frage, wie der Leser sich an Skys Stelle entscheiden würde. Für Freunde, die Familie, die Gesellschaft oder den Trait, der über die gesamte Zukunft entscheidet? Die Autorin erschafft einen interessanten Gewissenskonflikt beim Leser. Verpackt in eine Geschichte über den gesellschaftlichen Umbruch eines Landes, Machtmissbrauch, repressive Kontrolle und Verrat wird der Leser immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie weit man gehen würde, um in der Testung dem gewünschten Trait zugeordnet zu werden. Einziger Wermutstropfen bei der Erschaffung dieser fiktiven Zukunft ist das Fehlen von Details zum Umbruch und der Maßnahmen, die eine komplette Bevölkerung in kurzer Zeit ruhigstellen konnten.

Lina Frisch erzählt Skys Geschichte locker und unterhaltsam, gibt der Geschichte gleichzeitig aber viel Raum für Teenagerprobleme, Streit und Zickenkriege. Da es sich um ein Jugendbuch handelt, sollte der erwachsene Leser an dieser Stelle jedoch ein Auge zudrücken. Der Plot rund um die Testung ist stimmig und mitreißend, lastet aber so schwer, dass die Liebesgeschichte im Hintergrund verblasst. Der männliche Protagonist wird zwar kontinuierlich in die Handlung eingebaut, die plötzliche Verliebtheit von Sky erschließt sich dem Leser dadurch aber leider nicht.  Abgesehen von diesen kleinen Schwächen versteht die junge Autorin es ausgezeichnet, den Leser auch ohne viele actionreiche Szenen zu fesseln. 
 Mit „Falling Sky – Kannst du deinen Gefühlen trauen“ hat Lina Frisch ein lesenswertes Debüt erschaffen, das vor allem durch den Fokus auf der psychologischen Ebene und dem daraus entstehenden Gewissenskonflikt zu gefallen weiß. Den Leser erwartet eine interessante Dystopie für Jugendliche, die nicht nur gut zu unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Die Geschichte wurde sowohl sprachlich als auch inhaltlich gut ausgearbeitet und lässt sich flüssig und spannend lesen. Von mir gibt es für diesen gelungenen Reihenauftakt 4 Sterne.