Rezension

Eine Liebe in den Wirren des Krieges

Mehr als tausend Worte - Lilli Beck

Mehr als tausend Worte
von Lilli Beck

Mehr als tausend Worte ein Roman von Lilli Beck, Blanvalet (Verlagsgruppe Random House)

Berlin im November 1938: Die auftrumpfende Macht des Regimes ist vor allem in den Nächten spürbar, wenn die Gestapo Juden zum Verhör und zur Inhaftierung aus ihrem zu Hause abholt. So geschieht es auch Alizas Großvater. Alizas Angst ist allgegenwärtig, wenn die schlagenden Stiefel laut durchs Treppenhaus hallen. Neben den nächtlichen Übergriffen läutet die Regierung immer neue Sanktionen gegen die Juden ein und macht ein autonomes Leben für diese Leute undenkbar. Die Zeit drängt, das Land zu verlassen. Aliza wird mit gerade noch 16 Jahren mittels eines Kindertransportes nach England evakuiert. Ihre restliche Familie mit Großmutter Bobe, Vater Samuel, Mutter Rachel und Bruder Harald verbleibt in Berlin bis ihnen fast alles genommen wird, eine Flucht somit unbezahlbar und damit unmöglich erscheint. Samuel Landaus ärztliches Pflichtbewußtsein seinen Patienten gegenüber und die Hoffnung auf einen klärklichen Rest Menschlichkeit lassen ihn zögern, bis es zu spät ist. ...

Lilli Beck erzählt eine Geschichte von einer traurigen Epoche Deutschlands. Die Situation und daraus resultierenden Gefühlen der jüdischen Familie Landau sind spührbar. Die Beschreibungen der Kindertransporte und die Trennung der Familien sind unfassbar ergreifend und unvorstellbar emotional. Mitläufer, Schmarotzer, Verlierer und Gewinner, Kämpfer, Trauernde und Liebende bekommen anhand der Erzählung ein Gesicht und etablieren sich als unterschiedliche Charaktere im Roman. Der Plot ist vielversprechend und gibt viel Potezial für einen großen Epos. Doch leider hapert es hier an der Umsetzung des Ganzen. Einige Szenen und Sequenzen werden angerissen und für mich, als interessierten Leser leider nicht schlüssig zu Ende erzählt. An manchen Stellen kommt mir die Glaubwürdigkeit abhanden, gerade zum Schluß häufen sich die Zufälle und insgesamt wirkt manche Schlußfolgerung an den Haaren herbeigezogen. Ja, der einzige Lichtblick, die lebensfrohe Freundin und Wegbegleiterin Alizas, Mizzi muss als Sündenbock herhalten. Der Hauptprotagonistin Aliza kommt man nicht nah genug, es fehlt einfach an Tiefe. Alizas Oberflächlichkeit und Naivität..., man möchte sie schütteln!Insgesamt fehlen mir manche Details zu den Figuren oder eine Erklärung, was aus ihnen geworden ist. Der Leser wird vor vollendete Tatsachen gestellt und muss sich damit zufrieden geben.

Die Vermittlung historischer Fakten wirkt gezwungen und wie auch manche Dialoge, hölzern. Neben ganz spannend und realistischen Leseabschnitten, die in Berlin spielen, gestallten sich Alizas Anekdoten in England eher zäh und langatmig. Die Liebesgeschichte zwischen ihrem Liebsten Fabian und Alizas intensive, allumfassende Gefühle für ihn stehen hier sehr im Mittelpunkt und erdrücken durch ein zu viel an Liebesbekundungen.

Fazit: Ich habe mit Freude den neuen Roman von Lilli Beck erwartet, steht die Autorin und ihr Name für äußerst gut erzählte Romane wie "Glück und Glas" oder "Der Wind und das Meer" sowie einige lustige und gut erzählte Geschichten. Nicht minder enttäuscht war ich von diesem neuen Roman indem die mehr als tausend Worte einfach zu oft gefallen sind. Hier wurde Potenzial verschenkt in einer einfachen Erzählweise mit Höhen und Tiefen. Schade!