Rezension

Eine Liebesgeschichte - mal ganz anders

Léon und Louise
von Alex Capus

Mit "Léon und Louise" erzählt der Schweizer Schriftsteller Alex Capus eine Liebesgeschichte der besonderen Art.

Alex Capus. Léon und Louise. Was für wunderbare, wohlklingende Namen! Allein der Titel zergeht einem auf der Zunge. Eine französische wunderbare Liebesgeschichte. Eine an der Côte d‘Azur, mit himmelblauem Wasser und ganz viel Rotwein, ganz viel Tränen, ganz viel Herzschmerz und französischem Charme. Weit gefehlt. 

Das Buch beginnt mit einer Beerdigung – Léons Beerdigung und einer geheimnisvollen Frau, die während der Totenmesse auftaucht. Schnell wird klar: dies ist Louise. Die Frau, die dem Titel nach zu urteilen, eine Liebesgeschichte mit Léon verbindet. Und zwar eine, über die es sich lohnt, einen ganzen Roman, sogar einen Weltbestseller zu verfassen.

Léon Le Gall ist ein wirklich durchschnittlicher Le Gall, erfährt man. Durchschnittlich deshalb, weil er die Eigenschaften aller folgenden Le Galls vereint. Und es folgen viele Le Galls, alleine Léon hat fünf Kinder und diese haben wieder Kinder und einer dieser Enkel erzählt die Geschichte. Léons und Louises ganz persönliche Liebesgeschichte, die eigentlich schon immer eine war und doch erst ganz spät zu einer geworden ist.

Ich möchte nun über den Inhalt gar nicht mehr viele Worte verlieren. Das Buch schildert die Lebenswege der beiden, die Lebensumstände in Paris während des 1. Weltkriegs, zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg und während und nach des 2. Weltkriegs werden anschaulich beschrieben. Dabei wollte mir der „Held“ Léon zuerst gar nicht wirklich sympathisch werden.

Zu glatt fand ich ihn, zu perfekt, zu fragwürdig in seiner Naivität und politischen Einstellung gegenüber der deutschen Besetzungsmacht.

Zu abgebrüht fand ich ihn im Umgang mit seiner Ehefrau Yvonne auf der einen Seite und Louise auf der anderen.

 

Erst ab der Mitte des Buchs bin ich langsam mit ihm warm geworden. Vielleicht, weil ich an dem Zeitpunkt verstanden habe, dass Alex Capus uns möglicherweise bewusst die genauen Informationen über Léons Seelenleben vorenthält und man deshalb denkt, er fühle nichts und würde bestens mit allem klarkommen. Capus erzählt die Geschichte teilweise beinahe aus der Sicht eines völlig Unbeteiligten. Achtet auf die kleinen Gesten. Die kleinen Momente.

Trotzdem – oder deswegen – bin ich Léon Le Gall nicht wirklich „begegnet“. Für mich ist er kein Held, in den man (bzw. frau) sich verliebt, aber möglicherweise ist auch das beabsichtigt. Léon ist kein normaler Mann, Louise keine normale Frau (wobei ich sie in ihren Briefen unglaublich sympathisch, nah und originell fand, eben eine Figur, der man sehr wohl im Buch „begegnet“) und dies keine normale Liebesgeschichte.

Sondern eben Léons und Louises.

Auch wenn die letzten beiden Absätze eher negativ geklungen haben: man muss Léon nicht mögen oder ihn als Helden betrachten, um das Buch gut zu finden. Es ist eine außergewöhnliche Geschichte. Und das ist in Zeiten, in denen die „großen Liebesgeschichten“ von einigen Autoren wie am Fließband produziert werden, eine Überraschung, eine Herzenserwärmung.

Am ehesten kann man das Buch vielleicht mit Nicolas Sparks Roman „Wie ein einziger Tag“ vergleichen, aber auch das ist eigentlich weit gefehlt. Zu unterschiedlich sind die Personen und deren Geschichten. Aber die Tragweite, die Dramatik der Liebesgeschichte erinnert mich nur daran.

Ich kann das Buch definitiv jedem empfehlen, der an die einzige wahre Liebe glaubt oder sich von ihr überzeugen lassen möchte. Und jedem, der glaubt, dass man mehrere Menschen im Leben lieben kann.

Das Buch ist recht kurz, man liest es schnell, der Autor hält sich nie mit unnötigen Beschreibungen oder Ausschweifungen aus. Auch das hat mich überrascht. In positiver Weise. Alles in allem eine schöne, große Liebesgeschichte mit zwei Helden, die man mit Sicherheit so noch nie gefunden hat.

Léon und Louise. Zwei, die das Leben lieben. Und sich.