Rezension

Eine märchenhafte Liebeserklärung - auch an die Musik

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie - Rachel Joyce

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
von Rachel Joyce

Bewertet mit 5 Sternen

Es war einmal ein Plattenladen. So beginnt die märchenhafte Geschichte um „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie“ der britischen Schriftstellerin Rachel Joyce (56), die im Dezember beim Verlag Fischer Krüger erschien. Wie schon in ihrem Erstlingswerk „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ ist auch dieses Buch wieder eine Liebeserklärung an Außenseiter, die inmitten einer oft gnadenlosen Gesellschaft trotz eigener Schwächen ihr Leben zu meistern versuchen. Vor allem aber ist dieser Roman eine Liebeserklärung an die Musik in all ihrer Stimmungsvielfalt. Wir lernen Frank kennen, den jungen Inhaber eines kleinen Schallplattenladens in einer verkommenen Sackgasse einer vergessenen Ecke der Großstadt, der sich dem Zeitenwandel widersetzt, moderne CDs und Kassetten verachtet. Auch die Bewohner ringsum und die benachbarten Ladenbesitzer hadern mit dem Mainstream der Moderne. Da ist die schroffe Maud mit ihrem Tattoo-Studio, Pater Anthony mit seinem Devotionalienhandel und die Williams-Zwillinge vom Bestattungsinstitut. Sie bilden die kleine Gemeinschaft der Unity Street. Ihnen und vielen anderen hat Frank mit seiner besonderen Gabe schon helfen können: Er hört in seinen Kunden, welche Musik sie brauchen, um glücklich zu sein. So hilft er „dem Mann, der nur Chopin mochte“ mit dem Gesang Aretha Franklins. Frank sortiert seine Platten nicht alphabetisch, sondern nach Stimmungen. Er macht keinen Unterschied zwischen Klassik und Jazz, Pop und Punk: Gut ist, was gut tut. Doch die Harmonie in der Gemeinschaft der Unity Street wird durch Dissonanzen getrübt: Nicht nur, dass geldgierige Immobilienhaie Haus für Haus aufkaufen und sich die Bewohner der systematischen Zerstörung nicht erwehren können. Eines Tages steht eine Fremde vor Franks Schaufenster, Ilse Brauchmüller, eine junge Deutsche im grünen Mantel, mit grüner Handtasche und grünen Handschuhen. Frank verliebt sich unsterblich, ist aber völlig hilflos: Er kann nicht hören, welche Musik in ihr klingt. Joyce' neuer Roman liest sich wie Musik: Nach ruhigem Anfang, in dem uns die Figuren mit ihren eigenwilligen Macken vorgestellt werden, wird es im zweiten Satz schneller und lauter, die Immobilienhaie treten auf, erste Ladenbesitzer schließen, Ilse Brauchmann bringt die bisherige Harmonie durcheinander, Maud reagiert eifersüchtig. Dieser zweite Satz endet mit turbulentem, verstörendem Finale. Nach 20 Jahren beginnt der dritte Satz, langsam, um schließlich in Händels vielstimmigem Halleluja harmonisch zu enden. „Das Leben ist scheiße, aber es passt in eine Sonate!", hatte schon Franks Mutter gewusst. Rachel Joyce lässt uns in ihrer sehr liebevoll erzählten Geschichte an Franks wechselvollem Leben teilhaben. Ja, manchmal gleicht der Roman wirklich einem Märchen. Aber er tut wohl - wie gute Musik.