Rezension

Eine magische Atmosphäre beim Öffnen der Pforten, aber für den Leser schließen sie sich zu oft

Das Geheimnis der 100 Pforten - N. D. Wilson

Das Geheimnis der 100 Pforten
von N. D. Wilson

Bewertet mit 3 Sternen

Ein neuer Ansatz um in andere Welten zu gelangen

„Das Geheimnis der 100 Pforten“ ist der 1. Band einer Fantasy-Triologie für Kinder. In Deutschland wurde die Geschichte des amerikanischen Autors N.D. Wilson erstmals 2009 durch den cbj – Verlag veröffentlicht. Im Buch macht der zwölfjährige Henry, im Haus seiner Verwandten, eine wunderliche Entdeckung. An der Wand seines Zimmer versteckt sich eine immense Anzahl von kleinen, noch verschlossenen Fächern. Was hat es damit auf sich? Werden er und seine Cousine Henrietta dem magischen Geheimnis auf den Grund gehen können?

Ich bin auf einem Büchermarkt durch das düstere, vielfältig wirkende Cover und den ansprechenden Titel auf das Buch aufmerksam geworden. Schon allein das Wort „Geheimnis“ bringt mich dazu, es „lüften“ zu wollen. Auf den ersten Seiten gibt es eine Besonderheit: Eine Skizze der 99 (!) Pforten. Aus der dazugehörigen Nummerierung und Beschriftung bin ich allerdings bis zum Schluss nicht wirklich schlau geworden. Am Anfang erinnerte mich der Schreibstil ein wenig an J.K. Rowling. Ein märchenhafter, allwissender und kindgerechter Erzähler führte in den einfach gehaltenen Ort Henry in Kansas. Bisher lebten Frank und Dotty Willis, sowie ihre drei Töchter hier. Die Familie verglich ich wahrhaftig mit den Weasleys aus Harry Potter. Bis sie ihren ihren Neffen Henry (ich weiß bis jetzt nicht, warum er so heißt wie der Ort) bei sich aufnahmen. Der zwölfjährige Junge ist anfangs nicht allzu begeistert. Er wirkt pessimistisch, altklug und einsam auf mich. Nicht gerade der Hauptdarsteller mit dem man über 300 Seiten verbunden bleiben möchte. Aber so bleibt es nicht. Das Haus und auch das Leben ist ein reiner Abenteuerspielplatz, bei dem der Onkel Taschenmesser verschenkt und hoch oben in der Scheune Spiele veranstaltet werden. Der Autor lässt Kinderträume lebendig werden. Ich bin begeistert. Leider bleibt es nicht lange märchenhaft und allwissend. Auch wenn die Dialoge zwischen den Kindern sich wirklich herzallerliebst lesen lassen, fehlt es an Gefühlsregungen. Die Kinder „sagen“ und „meinen“ etwas, aber wie? Fröhlich, entsetzt, wütend? Eine Wertung nimmt die personale Erzählweise leider nicht vor. Schade, da wir von Kinderliteratur sprechen. Nichtsdestotrotz tauchte ich spätestens beim Bröckeln des Wandputzes in eine neue Atmosphäre ein. Die Beschreibung der einzelnen Fächer ist wirklich himmlisch, so detailliert, dass man es fühlen kann. Genauso mitreißend sind die Wahrnehmungen beim Öffnen der verschiedensten Türen und deren Rätsel. Es bleibt nicht lange Henrys Geheimnis. Bald gesellt sich Henrietta dazu. Sie ist das pure Gegenteil von ihm: Optimistisch, neugierig und voller Tatendrang. Zusammen beginnen sie die Pforten zu erforschen. Denn es gibt helle und dunkle, gute und böse, kalte und warme Welten dahinter. Nur werden der Leser und unsere beiden Abenteurer ständig durch den Alltag unterbrochen. Ich gebe zu, das nervt. Nebensächlichkeiten lenken vom grundlegenden Thema ab und dadurch verliert die Geschichte im mittleren Teil an Tiefe. Die Welten hinter den Pforten werden nur angedeutet. Man lernt keine Einzige intensiv kennen. Natürlich gibt es Spannungsmomente, aber die hätte der Autor noch ausreizen können. Stattdessen wird zwischen den Erlebnissen hinter den Pforten, der Geschichte um Henrys Herkunft oder dem verstorbenen Großvater oberflächlich hin und her gesprungen. Ich fühlte mich kaum schlauer als zu Beginn. Zum Schluss gab es zumindest einige packende Momente. N.D. Wilson versuchte näher auf die Familiengeschichte und einen Antagonisten einzugehen. Ein gelungener Rettungsversuch, um die Geschichte des 1. Band sauber zu schließen. Ausreichend ist es trotzdem nicht. Die Idee ist super, aber die Story muss mehr in die Tiefe gehen, es fehlt an Erklärungen um dauerhaft folgen zu können. Was wird helfen? Wahrscheinlich nur weiterlesen um von der Oberfläche auf den Grund zu kommen.

Fazit: Eine grandiose und spannende Grundlage zu oberflächlich erzählt. Lohnt sich hier nur, wer mit wenigen Antworten leben kann und weiter liest, um den Rätseln auf die Spur zu kommen.