Rezension

Eine moderne junge Heldin

Annette, ein Heldinnenepos - Anne Weber

Annette, ein Heldinnenepos
von Anne Weber

Anne Beaumanoir, auch Annette genannt, ist vielen unbekannt, obwohl sie von Klein auf einen Sinn für Ungerechtigkeit und den Drang zu widerstehen hatte. Aufgewachsen in einer liebevollen Familie entwickelt sie sich zu einer jungen Frau, in deren Leben die Resistance schon sehr früh im Zentrum stand, ja sogar ihre Lebensaufgabe zu sein schien. Sie setzt sich für Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Menschen ein. Doch als sie sich auf der Seite der algerischen Unabhängigkeitsbewegung engagiert und zu 10 Jahren Haft verurteil wird, fragt sie sich allmählich, ob das alles, was sie bisher getan hat, richtig war. Was musste sie alles dafür aufgeben, welche Konsequenzen hat ihr Handeln nach sich gezogen?

Meinung:

Der Roman ist in Form eines Epos und somit auch im Versmaß und in Reimform geschrieben, was sich wunderbar lesen lässt.

Anne Weber hat in ihren Roman viele Gemeinsamkeiten zu Homers Epos Odyssee eingeflochten, indem sie unter anderem Annette mit dem Helden Odysseus vergleicht. Auch waren hier Annettes Familienmitglieder, wie beispielsweise ihre liebvolle Großmutter, die unterstützenden Götter.

Die Eposform ist außerdem sehr treffend gewählt, da wir hier einen modernen Helden haben, genauer gesagt eine junge Heldin, die schon immer aktiv werden wollte, widerstehen und für Gutes kämpfen wollte. Auch vielen Nebenfiguren, die heldenhaft gehandelt haben, werden in diesem Roman ein Denkmal gesetzt.

Man lernt viel über die Geschichte Frankreichs, vor allem über Politisches und Konflikte. Wie sah die Lage in Frankreich während des zweiten Weltkrieges aus? Was passierte dort mit den Juden? Wie ist mit den Algeriern umgegangen worden? Welche Parteien und Widerstandsgruppen waren im Einsatz?

Doch auch die Beschreibung der Gefühls- und Gedankenwelt von Annette kommt nicht zu kurz. Einfühlsam und wunderschön beschrieben werden uns ihre Zweifel, Überlegungen und Intentionen nähergebracht, die auch durch Überlegungen verschiedener Philosophen wie Camus oder Sartre gestützt oder von anderen Perspektiven betrachtet werden. Dadurch entsteht oft eine nachdenkliche und ruhige Atmosphäre, die auch mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Die Sprache ist sehr poetisch und bildhaft, sodass mit schönen Metaphern ausdrucksstarke Bilder erzeugt werden.

Anne Weber wirft zudem viele Fragen in den Raum, die auch auf die heutige Zeit übertragbar sind. Was ist, wenn man sich selbst verliert, wenn man nicht weiß, ob man gerade das Richtige tut? Was muss man bereit sein, für sein Ziel aufzugeben? Welcher Traum überwiegt? Der Traum vom guten Leben oder vom guten Land? Der Erzähler wendet sich nicht nur direkt an das Publikum, um Fragen zu stellen, sondern auch, um die Geschichte humorvoll zu kommentieren, was gut zur Gattung Epos passt. Sprünge in die heutige Zeit sind auch geschickt eingebaut worden.

Denn Annette stellt sich genau diese Fragen, die sich doch so vielen Gefahren ausgeliefert hat und trotzdem nicht als Kämpferin gesehen wird. Man darf sich auch selbst fragen, wann man heutzutage als HeldIn gesehen werden kann? Was zeichnet eine Heldin, einen Helden aus?

 

Fazit:

Man lernt eine mutige junge Heldin kennen, die ihr Lebensziel im Auge behält, aber auch an ihren Taten zweifelt und sich Vorwürfe macht. Die Geschichte Frankreichs wird einem nähergebracht und verständlich erklärt. Sprachlich findet man hier ein wunderschönes Epos. Anne Weber hat ein sehr gelungenes und modernes Heldinnenepos verfasst!