Rezension

Eine naive Eve in einer guten Dystopie

Eve & Caleb 01. Wo Licht war - Anna Carey

Eve & Caleb 01. Wo Licht war
von Anna Carey

Bewertet mit 4 Sternen

‟Wo Licht war“ ist der erste Band der ‟Eve & Caleb“-Trilogie der amerikanischen Autorin Anna Carey, einer dystopischen Jugendbuch-Reihe, die mich mit ihrem Auftakt zwar noch nicht ganz überzeugen konnten, aber mit einer interessanten Grundidee Lust auf mehr macht.

Inhalt: Nach einer Seuche, an der ein Großteil der Einwohner in den USA gestorben sind, regiert ein König in der ‟Stadt aus Sand“ das Land. Wie die anderen weiblichen Waisenkinder lebt auch die 18-jährige Eve in einer von der Außenwelt isolierten Schule, in der sie gerade ihren Abschluss macht und dann auf einen Beruf vorbereitet werden soll. Doch am Abend vor ihrer Abschlussfeier entdeckt Eve die Wahrheit: Die jungen Frauen werden gefangen gehalten, um Kinder zu gebären. Sie flieht aus der Schule und trifft in der Wildnis auf Caleb...

Die Grundidee des Romans fand ich an sich sehr überzeugend und bis auf ein paar Kleinigkeiten auch sehr gut durchdacht. Es hat ausreichend Merkmale einer kontrollierenden Gesellschaft und mit der Ausbeutung der Waisenkinder als Brutkästen und Arbeitssklaven außerdem ein sehr nachdenklich machendes und erschreckendes Motiv, sodass sich insgesamt beim Lesen sehr schnell die düstere Atmosphäre einer Dystopie einstellt. Die Entstehung dieser erdachten Zukunftswelt ausgehend von einer Seuche ist zudem glaubwürdig und wird gut in die Handlung eingebaut.

Was die Ich-Erzählerin Eve angeht, bin ich schon unschlüssiger. Auf der einen Seite hat sie sehr willensstarke Züge, legt eine teilweise auch ganz unterhaltsame Bockigkeit an den Tag und akzeptiert die Falschheit ihrer angelernten Vorstellungen manchmal sehr schnell, wodurch sie weniger naiv wirkt, als manch andere weibliche Hauptprotagonisten im Jugendbuchbereich. Leider trifft dies aber eben nur manchmal zu, denn in anderen Situationen ist sie beinahe anstrengend hilflos, naiv und wäre verloren, hätte sie nicht fast immer jemand psychisch und physisch stärkeren an ihrer Seite, der bereit ist Klein-Eve am Händchen zu packen und mitzuschleifen. Ich konnte mich daher oft nicht entscheiden, ob ich Eve sympathisch oder unsympathisch, gelungen oder misslungen finden sollte. Auch am Ende bin ich mir mit meinem Urteil über sie nicht sicher. Sie ist eine tolle Protagonistin, deren Entwicklung großartig und bemerkenswert ist, aber an anderer Stelle nervte sie mich zu Tode und ich hasste sie dafür, dass andere, bessere Charaktere wegen ihrer Dummheit zu Schaden kamen.

Caleb ist dagegen schon der etwas leichter zu fassende Gegenpol, der Beschützer, der zur richtigen Zeit zur Stelle ist. Die Beziehung zwischen ihm und Eve entwickelt eine besondere Dynamik, nicht zuletzt deswegen, weil man Eve und ihren Mitschülerinnen in der Schule immer beigebracht hatte, Männer für alles, was sie sind, zu verachten und zu fürchten. Daher kann Eve sich nur langsam auf Caleb einlassen, was aber zu einer sehr romantischen Liebesgeschichte und einer interessanten Konstellation in der Wildnis, in den Höhlen, in denen Caleb und andere Jungen leben, führt. Neben den beiden Hauptfiguren gab es noch einige andere sehr gelungene Nebencharaktere, von denen für mich insbesondere Eves ehemalige Mitschülerin Arden heraussticht. Sie ist diejenige, die als erste herausgefunden hatte, was die Mädchen erwarten würde, die erste, die allein geflohen ist. Eine starke Einzelkämpferin, die nichts von Eves Naivität abbekommen hat und sich in dem Roman dennoch weiterentwickelt, wie keine andere Figur.

Schwächen hatte der Roman allerdings wiederum in der Handlungsführung, was sich insbesondere in einem eher schwachen Mittelteil mit deutlichen Längen zeigte. Spannung und Action gibt es hauptsächlich am Anfang und am Ende, wobei mich eben dieses herausragend gute und völlig überraschende Ende für einen Großteil der Längen in der Mitte der Geschichte entschädigte.

Sprachlich ist ‟Wo Licht war“ leider ausbaufähig. Es ist nicht schlecht geschrieben, der Stil ist recht flüssig und einen Jugendroman vom Niveau her angemessen, doch manchmal fehlt der letzte Schliff und ein wenig die Genauigkeit im Detail. Es waren kleine Unaufmerksamkeiten im Ausdruck, die meine Vorstellungskraft vor große Herausforderungen stellte. Besonders auffällig war das in einigen spannungsgeladenen Passagen, wo ich mich gelegentlich fragte: Kann das jetzt wirklich so funktionieren? Ist das logisch? Hat der Mann gerade vielleicht drei Arme? Fragen, die ich nicht definitiv beantworten kann, die mich beim Lesen aber sehr beschäftigten. Hier hätte es bei den Beschreibungen ruhig ein bisschen mehr sein dürfen.

Fazit: Gut, aber nicht perfekt. Eine gute Grundidee für eine spannende Dystopie, leidet unter einer wechselhaften Ich-Erzählerin, leichten sprachlichen Mängeln und ein paar Längen. Insgesamt habe ich es gern gelesen, besonders das Ende war fantastisch, daher knappe 4 Sterne.