Rezension

Eine perfekte Familie?

Bevor es geschah -

Bevor es geschah
von Céline Spierer

Bewertet mit 5 Sternen

Ein kleiner Roman, der mit viel Gefühl und Wucht von einer Familie erzählt, die nach außen hin perfekt scheint, im Inneren aber gebrochen ist. Die Geschichte spielt an einem sonnigen Sommertag, bei einem der reglmäßigen Familienessen. Alle vier Geschwister kommen mit ihren Familien im Haus der Mutter zusammen. Die Mutterfigur, streng, kalt und hart, beeinflusst das Gefüge zwischen den Geschwistern enorm. Angst, Aufbegehren und Nervosität prägen das Bild. Die ersten Kapitel werfen einen kurzen Blick auf die Vorbereitungen. Wie ein Vouyeur wirft der Leser einen Blick in die Schlafzimmer, Ankleiden und Badezimmer der Protagonisten. Schnell wird klar, niemand freut sich auf den gemeinsamen Tag. Was ist es, was diese Familie von innen heraus zerstört? Nach und nach entblättern sich die Geheimnissen und das Grauen hinter der Fassade entblößt sich. Missbrauch, Alkohkol, Macht und Lügen bestimmten die Kindheit und Jugend. Niemand wollte wohl, dass es soweit kommt, aber man ist nicht ehrlich und Probleme werden lieber unter den Teppich gekehrt. Fast jeder hat etwas zu verbergen, kleinere oder größere Geheimnisse, Träume, die nicht in die perfekte Idylle passen und die Geschwister schauen mit Liebe aber auch Neid aufeinander. Während jeder den anderen beobachtet und versucht einen Blick hinter die Gefühle des Gegenüber zu werfen, ihn zu analysieren, ereignet sich im Pool eine Tragödie. Der Unfall des kleinen Thomas wird schon im Prolog angekündigt, ist also kein Spoiler. Unter diesem Ereignis verschmelzen die Geheimnisse und Untiefen der Familie wie unter einem Brennglas. Wer ist schuld? Was führte zu was? Und welche Lüge, welches Schweigen war eines zu viel. Die Figuren sind gut gezeichnet. Manche mehr, manche weniger sympathisch. Dennoch fühlt man eine Nähe zur Familie, die durch die Kälte der Mutter aber immer auf Distanz bleibt. Im letzten Teil wird auch ihre Figur noch näher beleuchtet und greifbarer. Ein Roman, wie ein Thriller. Fast ein Kammerspiel im Garten, wären da nicht die Rückblenden, die immer wieder neue Facetten und Schatten auf die Familienidylle werfen. Großartig.