Rezension

Eine perfekte Fortsetzung

Die Verschworenen - Ursula Poznanski

Die Verschworenen
von Ursula Poznanski

Es ist ungefähr ein Jahr vergangen, seit dem ich eine Geschichte gelesen habe, in der es um sechs Studenten aus einer zukünftigen Welt ging, deren Leben sich über Nacht komplett wendete und deren Suche nach der Wahrheit sie zwangsläufig zu Verbündeten machte. Aus Ursula Poznanskis Feder fließen sonst eher realistische Thriller. In „Die Verratenen“ hat sie ein Genrewechsel vollzogen und sich einem für sich sehr untypischen Thema angenommen, ohne dabei unglaubwürdig zu wirken. Diese perfekte Mischung aus Thriller und Dystopie konnte mich komplett überzeugen und ließ mich ein ganzes Jahr mit großer Spannung auf eine Fortsetzung warten. Denn obwohl am Ende einige Rätsel gelöst wurden, blieben einige Fragen offen…

„Die Verschworenen“ wird genau dort weitererzählt, wo der erste Band endete: in der Stadt unter der Stadt. Kaum hatte sich Ria an das neue und aufregende Leben unter dem freien Himmel mit all seinen lauernden Gefahren gewöhnt, musste sie zusammen mit ihren Freunden unter der Stadt Schutz suchen. Doch bald zeigt sich, dass auch dieses Versteck sie nicht vor falschen Freunden oder Verrat schützen wird.
Meine Ängste, dass es schwierig für mich sein könnte, wieder in die Geschichte hinein zu finden, wurden sofort weggewischt. Mit einer klaren und sehr bildhaften Sprache und mit kleineren Wiederholungen zieht Poznanski den Leser ohne große Umschweife wieder mit in ihre dystopische Welt. Durch detaillierte Beschreibungen der Welt vor der langen Nacht entstehen sehr lebendige Bilder vor dem inneren Auge des Lesers. Durch eine fließende Überleitung wird man schnell wieder vertraut mit Charakteren, die einem lange im Gedächtnis geblieben sind und auf deren Wiedersehen man regelrecht entgegen gefiebert hat. Kaum merklich wird die Spannung durch viele interessante Ereignisse und mit jeder gelesenen Seite aufgebaut. Es gibt neben den aufregenden Szenen aber auch immer viele Momente, in denen der Leser aufatmen und verweilen kann. In diesen machte mich Ursula Poznanski oft auf natürliche Dinge aufmerksam, die ich im Alltag wohl oft übersehe und wahrscheinlich sehr vermissen würde, wenn ich auf sie verzichten müsste.
Poznanski gibt dem Leser auch in „Die Verschworenen“ sehr viel Raum für eigene Spekulationen, zwingt ihn in eine sehr aktive Rolle und gibt ihm eine große Diskussionsgrundlage. Informationen werden nur sehr sparsam in den Zeilen versteckt und man verstrickt sich immer wieder in eigenen Thesen. Mir war nicht klar, wie schnell mich die Autorin an ihr Buch gefesselt hat, denn mit jeder von mir aufgestellten Vermutung verbiss ich mich ein bisschen mehr in die Handlung und konnte mich nicht mehr lösen. Ich wollte dieses Buch unter keinen Umständen aus der Hand legen. Wollte nicht schlafen und essen konnte ich auch gut neben dem Lesen. Allerdings zerflossen die gelesenen Seiten zwischen meinen Händen und es stellte sich ein Gefühl ein, das ich nur sehr selten habe: Panik! Panik, dass dieses Buch bald gelesen ist. Ein Buchjunkie auf Turkey und das, schon bevor das Buch überhaupt gelesen war. Als ich diese Phase endlich überwunden hatte, konnte ich mich wieder von der sehr klugen, rasanten und komplett kitschfreien Handlung berauschen lassen.
Alles, was mir im ersten Teil großen Lesespaß bereitet hat, wurde auch in diesem fortgeführt. Ein intelligent inszenierter und dichter Plot, an dem sich die Leser mit ihren Mutmaßungen die Zähne ausbeißen, ein Spannungsbogen, der den Leser eisern im Würgegriff hält und eine atemberaubende Kulisse. Besonders haben es mir jedoch die einzelnen Charaktere angetan, denn auch hier kommt man immer wieder ins Grübeln. Sie haben Ecken und Kanten, sind widersprüchlich und entwickeln sich zu außergewöhnlichen und nicht immer liebenswerten Menschen. Hat man ein bestimmtes Bild von einer literarischen Figur geformt, kann es sehr gut sein, dass diese es brutal zerstört. Sie spielen mit dem Leser, mit seiner Zuneigung und seinen Zweifeln.
Ich glaube, die Autorin hat längst nicht all ihr Pulver verschossen und wartet im finalen Band, der wieder ein Jahr auf sich warten lässt, mit genialen Ideen auf.
Wenn man „Die Verschworenen“ liest, muss man allerdings gut vorbereitet sein, denn dieses Buch verbirgt einige Risiken und Nebenwirkungen. Da man sich dieser Lektüre kaum entziehen kann, sollte der Leser über zwei freie Tage (mehr wird er nicht benötigen) verfügen, sich in einem Zimmer mit ausreichend Vorräten verbarrikadieren und mögliche Störfaktoren wie klingelnde Telefone entfernen. Mitbewohner sollten entweder mit derselben Lektüre versehen werden, um darüber diskutieren zu können, oder komplett der Lesezone verwiesen werden (Störfaktor!!!).
In „Die Verschworenen“ hat Ursula Poznanski wieder einmal alles vereint, was ich an guten Büchern liebe. Für mich war es eine perfekte Fortsetzung, die auf ein geniales Finale mit epischem Ausmaß hoffen lässt.