Rezension

Eine Poesie aus Bild und Text...

Der blaue Stein - Jimmy Liao

Der blaue Stein
von Jimmy Liao

Bewertet mit 5 Sternen

Der blaue Stein liegt still im tiefen Wald. Er glaubt, er würde für immer dort bleiben, bis zum letzten Tag der Erde. Doch dann brennt ein grosses Feuer den Wald nieder und der blaue Stein wird in zwei Teile gebrochen. Der eine Teil verbleibt im Wald, der andere wird von Menschen in eine ferne Stadt transportiert… Eine Geschichte über Einsamkeit, Sehnsucht und Suche.

„Selbst ein schwacher Schimmer an Hoffnung reicht aus, um das gesamte dunkle Universum zu erleuchten.“

Bilderbücher für Erwachsene? Comics, Graphic Novels - auf diese Art sprechen schon lange Bilder auch zu älteren Lesern. Aber als Bilderbuch?

Tatsächlich hat Jimmy Liao hier einen neuen Trend geschaffen. Der preisgekrönte taiwanesische Autor schrieb im Alter von 40 Jahren sein erstes Bilderbuch für Erwachsene - gedacht als Abschiedsgeschenk für seine Familie, da er seinen Kampf gegen Leukämie zu verlieren drohte. Seither sind viele Bilderbücher dazu gekommen, die nicht nur in Taiwan erscheinen, sondern in viele Sprache übersetzt und so auch im Ausland immer bekannter werden. Aus seinen Büchern entstanden bereits Musicals, Fernsehspiele und (Zeichentrick-) Filme - der Phantasie sind offenbar keine Grenzen gesetzt.

Ich war sehr neugierig darauf, eines der Werke von Jimmy Liao kennenzulernen. In den Händen hielt ich schließlich ein Buch in Klappbroschürformat, nur unwesentlich größer als ein Taschenbuch. Aber schon das Cover faszinierte mich mit dem Bild des blauen Steins in der Mitte des Bildes, der sich durch die aufgebrachte blaue Folie auch anders anfühlt als der restliche Einband. Und gleich beim Öffnen des Buches fiel mir nur ein Wort ein: liebevoll...

Die Geschichte selbst ist rasch erzählt. Ein riesiger blauer Stein lag still im tiefen Wald als ein Mensch ihn fand und beschloss, einen Teil von ihm mitzunehmen. Daraus entstand ein vielbewundertes Kunstwerk, doch der Stein sehnte sich nur nach Hause in seinen Wald, wo der andere Teil von ihm weiterhin lag. Aus Sehnsucht zerbrach der entführte Stein, wurde zu einem weiteren Kunstwerk umgearbeitet, er zerbrauch wieder... Immer wieder kam der Stein in Kontakt zu einsamen, traurigen, verzweifelten Menschen, doch berührte ihn die Not der Menschen nicht - er trug seine eigene unerfüllte Sehnsucht in sich, die alles dominierte.

Das Hauptaugenmerk des Lesers wird zwangsläufig auf die Bilder gelenkt, die einen Großteil jeder Seite einnehmen und von kurzen Textpassagen begleitet werden. Tatsächlich wirken die Bilder meist eher schlicht, sind dabei aber von einer ausgesprochenen Ausdruckskraft. Die Farbwahl ist eher dunkel und gedeckt gehalten, und die Bilder strahlen oft eine nahezu greifbare Einsamkeit aus. Damit bilden Bilder und Text gemeinsam eine ausgeprochen poetische Sinfonie.

Mich konnte dieses Bilderbuch auf vielfältige Weise berühren. Wie sich in der Leserunde zeigte, las jeder etwas anderes aus Bildern und Text heraus - und das ist doch etwas Wunderbares. Für jeden Leser bedeutet dieses Buch etwas anderes - etwas, das ganz allein mit ihm zu tun hat. Mich hat hier beispielsweise unerwartet ein Bild zu Tränen gerührt, einfach weil es bei mir eine ganz bestimmte Saite anklingen ließ.

Jimmy Liao ist mit seinen Bilderbüchern für Erwachsene für mich eine wirklich besondere Entdeckung. Daher freue ich mich sehr, dass hier noch ein Werk von ihm liegt und aufs Entdecktwerden wartet...

© Parden