Rezension

Eine poetische Geschichte, die eine toxische Freundschaft absolut gelungen darstellt

Dunkelgrün fast schwarz - Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch handelt von einer toxischen Freundschaft, die hier meiner Meinung nach sehr gelungen dargestellt wird. Das macht das Buch auf keinen Fall zu einer leichten Lektüre, denn diese Abhängigkeit zu verfolgen kann unangenehm sein, verzweifelt stimmen, Hass wecken und es manchmal schwer machen, weiterzulesen - und doch hing ich an den Seiten. Und doch zog mich die Geschichte in ihren ganz eigenen Bann.

Es gibt keinen wirklichen Spannungsbogen, stattdessen stellt dieses Buch vielmehr eine Collage aus Erinnerungen dar. Erinnerungen aus drei Sichten - der von Moritz, der von seiner Mutter Marie und der von Jo, der Freundin von Raf. Vor jeder Erinnerung steht zur Einordnung die Jahreszahl, dennoch erzählen alle im Präsens, was einem als Leser*in das Gefühl gibt, direkt dabei zu sein.
Zusammen ergeben sie nach und nach ein Bild der Freundschaft und der Ereignisse danach, und auch wenn einige Punkte erst am Ende enthüllt werden, besteht die Spannung eher darin, dass ich selbst in eine gewisse Abhängigkeit geriet und einen Blick auf diese toxische Freundschaft zu verschiedenen Zeiten hatte - mit der immer offenen Frage, ob Moritz sich in der Gegenwart endlich daraus lösen kann.

Rafs Sicht ist dabei nicht vertreten, aber ich persönlich finde, dass dies die Chemie dieses Buch ein stückweit kaputtgemacht hätte. Alle Protagonist*innen scheitern in gewisser Weise daran, ihn zu verstehen, hinter seine Fassade zu blicken. Sie verklären ihn mal, sie hassen ihn, sie unterliegen seinem Bann - und als Leser*in weiß man ebenso wenig, was Rafs Intentionen sind, was diese Magie, die er auf andere ausübt, wirklicher werden lässt.

Und oh, ich habe Raf gehasst. Und gleichzeitig war ich unglaublich fasziniert von ihm.
Raffael ist schon als Kind gewalttätig und manipulativ. Gleichzeitig zieht er alle in einen Charme. Er kommt aus einem reichen Elternhaus, und in gewisser Weise erkennt man sein Verhalten in seinen Eltern wieder, vor allem in seinem gutaussehenden, charmanten und reichen Vater, ganz so, wie er es später auch ist. Denen die weiblichen Herzen zufliegen, die alles bekommen, was sie wollen und sich dessen vollends bewusst sind. Arrogant, selbstbewusst und vor allem auch selbstsicher.
Die ganze Zeit über strahlt Raf Überlegenheit aus, die nie wirklich gebrochen wird. Er scheint die ganze Zeit mit einem amüsierten Lächeln auf die Welt zu blicken, als würde er sich über sie lustig machen.

Raf kontrolliert, er manipuliert, und Moritz fügt sich. Moritz ist unheimlich passiv, lässt sich mitziehen, macht alles mit, und genau hier zeigt sich das Toxische, wenn er sich nicht daraus lösen kann. Und als Leserin verspürte ich Verzweiflung angesichts dieser Unentrinnbarkeit.
Moritz ist zurückhaltend, ruhig, man merkt, dass er ein gutes Herz hat, und umso mehr frustriert es, dass es auch in der Gegenwart so wirkt, als würde er sich wieder protestlos in Rafs Fänge geben und zusehen, wie Raf sein Leben zerstört.

Aber auch Marie habe ich als relativ passiv wahrgenommen und mich oft gefragt, inwieweit sie etwas hätte tun können, diese Abhängigkeit verhindern können. Sie trifft Entscheidungen, die sie nicht unbedingt sympathisch machen, und doch wirkt sie vor allem verloren.
Sie zieht nach Hallein bei Salzburg, wo der Großteil der Handlung spielt, einem Ort, aus dem auch die Autorin kommt, was sich in einigen österreichischen Ausdrücken bemerkbar macht, die dem Buch einen authentischen Charme geben.
Nachdem sie unerwartet schwanger wird, macht Marie nichts aus ihrem Studium, sondern heiratet den Vater und zieht in den ländlichen Ort, den sie nicht kennt, um die Kinder großzuziehen. Und somit ist sie selbst erst Mitte 20, plötzlich mit Verantwortungen konfrontiert, die sie nicht erwartet hatte, gefangen in einem Leben, das ihr die ungewollte Schwangerschaft aufgezwungen hat. Somit empfand ich immer wieder doch auch Mitleid für sie. Gleichzeitig bietet sie eine Außenperspektive auf die Freundschaft während der Kindheit und ihre eigene Machtlosigkeit.

"Dunkelgrün fast schwarz" zeichnet sich dabei auch durch den herausragenden Schreibstil aus, der sehr poetisch ist, was ich persönlich sehr gerne mochte. Hinzu kommt, dass Moritz Synästhetiker ist und Farben sieht, was seiner Erzählweise eine zusätzliche Ebene verleiht.
Doch neben der Poesie mutet das Buch oft auch derb an. Die Erwachsenen haben oft Sex, selten zärtlich. Im Kontrast dazu steht die doch sehr liebevolle Beziehung zwischen Kristin und Moritz, oder die partnerschaftliche zwischen Alexander und Marie.
Auch Jo ist ein sehr ambivalenter Charakter. Sie leidet unter Essstörungen, ist zynisch, verbittert und gleichzeitig ebenfalls absolut abhängig von Raf.

Das Buch überraschte mich mit einem runden Abschluss, nach dem man mit bitterem Nachgeschmack und einer Vielzahl an Gefühlen zurückbleibt. Vor allem aber werden diese toxische Freundschaft und Rafs Manipulation so nachvollziehbar und ausweichlich dargestellt, dass man als Leser*in die Abhängigkeit intensiv spürt, sie verabscheut, einen Ausweg wünscht und doch selbst irgendwie davon gefangen wird.

Fazit: Unheimlich gut geschriebene Geschichte einer toxischen Freundschaft, die die Abhängigkeit nachvollziehbar werden lässt. Verschiedene Sichten bilden eine Collage aus den verschiedenen Momenten und konstruieren so ein Bild dieser Freundschaft zwischen dem charmanten, immer kontrollierenden und manipulativen Raf und dem von ihm abhängigen Moritz. Der poetische Schreibstil trägt seinen Teil dazu bei, den*die Leser*in in den Bann zu ziehen, von dieser oft düsteren und manchmal derben Geschichte, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.