Rezension

Eine positive Überraschung!

Play -

Play
von Tobias Elsässer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ausgehend vom Klappentext und dem Cover wurde die Erwartung geschürt, dass es in „Play“ von Tobias Elsässer primär um den „Gläsernen Menschen“ und die Auswirkungen der Nutzung einer App ginge; es sich bei dem (Jugend)Roman also um science fiction oder eine Dystopie handle. Die Geschichte spielt jedoch in der Gegenwart und weist überraschenderweise viele Züge eines gelungenen, modernen Entwicklungsromans auf.

Der Protagonist Jonas ist zunächst ein typischer Abiturient. Er glaubt, ihm liege die Welt zu Füßen, ist aber gleichzeitig noch auf der Suche nach sich selbst. Ihm fehlt (noch) Lebenserfahrung und eine konsistente Haltung, daher fällt es ihm schwer, Entscheidungen für sich und sein Leben zu treffen. In dieser Situation stößt er durch Zufall auf eine App, die ihm eine Prognose für seine Zukunft gibt. Es werden dafür sämtliche online Daten über Jonas und seine Kontakte gesammelt und analysiert. Er stellt sich seine Zukunft jedoch anders als prognostiziert vor und will daher der App beweisen, dass sie sich irrt. Deshalb begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise: Jonas muss seinen eigenen Weg finden, dabei nimmt er naturgemäß einige Umwege in Kauf. 

Die ersten beiden Teile des Romans und der Reise stehen sich diametral gegenüber. Gleich zu Beginn des Abenteuers gerät Jonas an ein Mädchen (Sun), mit der er zunächst in die Welt der social-Media-Jugend eintaucht. Hier wird auf herrliche Weise dieser Lifestyle karikiert und dessen Oberflächlichkeit überspitzt dargestellt. Alles dient jedoch dazu, dem zugrundeliegenden Gedankenexperiment Raum zu geben und es so plastisch wie möglich zu gestalten, um die Entwicklung des Protagonisten besser nachvollziehen zu können. Diese Aspekte führen dazu, dass sich der Leser nicht bedingungslos mit Jonas identifizieren kann, sich aber gleichzeitig eine Grundspannung aufbaut, da man sich vielfach die Frage stellt, warum Jonas und Sun so und nicht anders handeln.  

Das Setting im zweiten Teil ist ein ganz anderes. Die mediale Welt – inklusive der Verbindung zur App – tritt in den Hintergrund und mit ihr die Hektik und Schnelligkeit des modernen Lebens. Insofern ist es nur konsequent, dass nun die sich entwickelnde Beziehung zwischen den beiden jugendlichen Protagonisten sowie Jonas Reflexionen in den Vordergrund treten. Der Leser erfährt so einiges über die Charaktere, indem sie in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich agieren und reagieren. Doch auch durch den Abstand zum WWW gelingt es Jonas nicht, Klarheit und Sicherheit in Bezug auf seine Zukunft und seine Gefühle zu gewinnen. Die App bleibt ein Mysterium und das Ende ist noch völlig offen. Allerdings ist das Bild der Protagonisten durch den Kulissenwechsel deutlich schärfer geworden. 

Im dritten Teil werden (etwas zu) rasant alle Fäden zueinander geführt und trotzdem bleibt das Ende in Teilen offen. Jonas letzte Handlung ist im Sinne eines Entwicklungsromans glaubwürdig und zeigt, dass er sich aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Tage verändert hat. 

Der Schreibstil ist sehr flüssig, die Sprache an den Protagonisten und seine Perspektive angepasst und dürfte daher auch Jugendliche ansprechen.

Auch wenn der Klappentext andere Assoziationen auslöst, wurden meine Erwartungen – dadurch, dass die Reise der beiden Protagonisten in den Mittelpunkt gestellt wurde - weit übertroffen. Die App bleibt nur Auslöser der Entwicklungen und markiert so den Beginn des eigenständigen Denkens (und des Erwachsenwerdens) von Jonas.