Rezension

eine Puppe im Garten eines Ungeheuers

All das zu verlieren - Leïla Slimani

All das zu verlieren
von Leila Slimani

Bewertet mit 5 Sternen

 „Adèle ist eine verwöhnte Frau, und ihr Mann ist stolz darauf, wie unabhängig sie ist. Sie findet, dass das nicht genügt. Dass dieses Leben klein und erbärmlich ist, ohne jeden Glanz.“ [16]

 

Vieles in dem Roman „All das zu verlieren“ von Leïla Slimani erinnert an Madame Bovary von Gustave Flaubert. Es gibt viele Parallelen zu dem berühmten Vorgänger.

Eine Frau die von ihrem, sagen wir mal, recht einfach strukturierten Mann durchaus gelangweilt ist. Dem Umzug und der damit verbundenen Hoffnung, dass es dadurch besser wird.

 

„In dem hübschen Haus, im Schatten der Linde, wird es kein Entkommen mehr geben. Tag für Tag wird sie sich selbst im Weg sein. […] Sie müsste einen Grund zu leben finden. Etwas jenseits diese profanen Alltags, der sie schon als Kind erstickte.“ [130]

 

Ging es bei Flaubert um die Sucht nach Luxus, so steht im Werk von Slimani die Sucht nach Bestätigung und Anerkennung im Vordergrund – eine zerstörende Sucht- , welche sich Adèle durch Sex mit vielen fremden Männern holt und damit auch ihr ganzes Leben und das ihrer Familie aufs Spiel setzt.

 

„Sie will nur ein Objekt inmitten einer Meute sein. Gefressen, ausgesaugt, mit Haut und Haar verschlungen werden. […] Sie will eine Puppe im Garten eines Ungeheuers sein.“ [9f.]

 

Beiden Werken gemein sind ebenfalls die Sehnsucht und die innere Zerrissenheit, die die Protagonistinnen an den Tag legen. Der Zustand des inneren Zerrissen seins wird hier sehr gut wiedergegeben. Dazu trägt auch wunderbar das Cover bei, welches dies bildlich untermalt. Leïla Slimani liefert ein richtig gutes Stück Literatur. Eingängig und einprägend geschrieben, mit einem schönen Schreibstil. Sie schreibt nah an der Wirklichkeit. Hart und ehrlich, recht schonungslos. Man muss die Protagonistin Adèle nicht lieben, denn das ist das wahre Leben. Es wird nichts geschönt und kommt somit sehr authentisch daher.

Besonders hat mir der Perspektivwechsel zu Adèles Ehemann gefallen. Er liefert das gewisse Etwas, macht das Ganze glaubhafter, spürbarer.  

 

Fazit: Eine gelungene Geschichte, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.

Kommentare

Paperboat kommentierte am 30. Mai 2019 um 10:21

Klingt nach einer feinen Lektüre! Bei Flaubert hatte man ja nicht diesen Einblick in die Sicht von Herrn Bovary.
Werke, in denen man eine sehr kontroverse Beziehung zu dem Protagonisten hat, stellen sich oft als die interessantesten heraus.

wandagreen kommentierte am 07. Juni 2019 um 09:52

Tscha - das sind wir aber einmal ganz verschiedener Ansicht. Und dass Richard einfach strukturiert ist, das sehe ich nicht so. Sondern die Figur ist mit ihren Unverträglichkeiten völlig misslungen.

Naibenak kommentierte am 18. Juni 2019 um 11:12

Sehr schön, ich bin auch ziemlich begeistert von diesem Roman :)