Rezension

Eine Reise, die sich lohnen wird!

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket - John Boyne

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket
von John Boyne

Bewertet mit 5 Sternen

"Es gab wirklich keinen Zweifel: Die Familie Brocket war so ziemlich die normalste Familie in New South Wales, wenn nicht sogar in ganz Australien."
S. 13
Das größte Bestreben vom Ehepaar Alistair und Eleanor Brocket ist nicht aufzufallen. Bloß keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, lautet die Divise. So normal zu sein, wie es eben nur geht. Das ist ihnen soweit auch ganz gut gelungen. Bis zur Geburt ihres dritten Kindes Barnaby. Dieser kam schwebend zur Welt und denkt gar nicht daran aufzuhören! Sehr zum Missfallen seiner Eltern.
Was sollen da bloß die Nachbarn denken?
Wohlmöglich denken Sie noch, dass jeder in der Familie Brocket hinter verschloßener Tür schweben kann?
Richtig beschämend ist diese Vorstellung für das Anwaltspaar!
Da scheint es fast wie ein unverhofftes Glück als Barnaby bei einem Ausflug davonschwebt... Oder doch nicht?

Während Barnabys ältere Geschwister Henry und Melanie sich nicht an seinem Schweben stören, es sogar ganz cool finden, musste ich bei den Reaktionen und Ansichten der Eltern auf Barnabys Andersartigkeit heftig schlucken.

So darf Barnaby zum Beispiel nicht auf eine Schule im Umkreis gehen. Das würde zuviel Aufsehen bei den Nachbarn erregen. Nach längerer Internetrecherche werden die beiden schließlich fündig und beschließen Barnaby auf die Ultimativen Akademie für unerwünschte Kinder zu schicken; einer Schule die von der früheren Leiterin des Frauengefängnisses gegründet wurde und zwar für Kinder, die aus dem einen oder anderen Grund vom normalen Schulsystem nicht akzeptiert wurden. Und die laut Barnabys Eltern wie für ihn gemacht scheint. Da wird auch gerne unter den Tisch gekehrt, dass die Schulbildung dort nicht vorrangig ist. Hauptsache ist doch, man wird das Kind für ein paar Stunden am Tag los.

"Ihr kleiner Barnaby schwebt also. Na und? Wir haben ein sechsjähriges Kind, das hüpft wie ein Känguru. Ein Mädchen hat einen Raubüberfall auf ein Spirituosengeschäft gemacht, und sie weigert sich zu sagen, wo sie die Beute versteckt hat. Ein drittes Kind spricht fließend Französisch. Aber nehmen wir das den Kindern übel? Nein, keineswegs."
S. 46

Manchmal hatte ich auch das Gefühl das Alistar eher als Mitläufer der Ansichten seiner Frau agiert - trotz seines immensen Verlagen und Wunsch nach Normalität kam es mir so vor, als könnte er sich eher an die neue Situation mit seinem Sohn gewöhnen.

"Sind wir uns auch wirklich sicher?", fragte Eleanor.
"Ich bin mir sicher, wenn du dir sicher bist", erwiderte Alistair.
S. 72

Doch woher kommt diese Abneigung die die Eltern ihren eigenen Sohn spüren lassen?
Mögliche Antworten auf diese unmögliche Frage finden wir teilweise in der unfreiwilligen und sehr abenteuerlichen Reise von Barnaby, aber auch ein Rückblick auf die Vergangenheit der Eltern zeigt, woran das liegt.
Beide Brockets wurden nämlich in ihrer Kindheit in Rollen gesteckt, bei denen sie nicht sie selbst sein konnten und sich darauf hin schworen, nie wieder aufzufallen.
Welch Ironie, dass sie Barnaby jetzt verbiegen wollen, wie ihre Eltern sie zuvor.

Die Reise führt uns von Australien, über Südamerika und New York, nach Europa, bis in den Weltraum und wieder zurück.
Währenddessen lernt Barnaby die unterschiedlichsten Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen kennenlernt. Menschen, die von ihren Eltern nicht akzeptiert wurden und das Weite suchten; Menschen, die von ihren Eltern von zu Hause rausgeschmissen oder verjagt wurden und auf sich selbst gestellt waren; Menschen, die anderen in schwierigen Situationen helfen und sich so ihre eigene Familie schaffen; Menschen, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg gefunden haben.

"Die meisten Geschichten haben kein Happyend", sagte Barnaby. "Ich weiß noch nicht, wie meine eigene ausgeht, aber ich würde sehr gerne Ihre Geschichte hören."
S. 162

Diese Geschichte hat bei mir einen Nerv getroffen!
Es geht darum zu lernen, was wichtig im Leben ist; aber auch darum, zu sich selbst zu stehen und dafür jeden Preis in Kauf zu nehmen. Aber es geht auch um noch soviel mehr!
Lasst euch auf keinen Fall davon abschrecken, dass es ein Kinderbuch ist. Gute Kinderbücher schaffen es Kindern eine wichtige Botschaft mitzugeben, ohne sie beim Lesen zu überfordern. Richtig gute schaffen es dabei noch erwachsene Leser perfekt zu unterhalten. Mit diesem Buch hat man einen solchen Schatz gefunden, der es trotz der Härte hinter den Worten schafft, die Geschichte an den richtigen Stellen humorvoll und trotzdem mit dem nötigen Ernst rüberzubringen.