Rezension

Eine Reise in die skurrile Welt des schwedischen Hinterlandes

Totenstille - Will Dean

Totenstille
von Will Dean

Tuva ist eine junge schwedische Journalistin, die eine Schwäche für Weingummi hat und den Dingen gerne auf den Grund geht. Doch was sie als Protagonistin in der Krimi-Welt besonders macht, ist zum einen ihre Gehörlosigkeit und zum anderen ihre Angst vor der Natur sowie eine Abscheu gegen Unwahrheiten in der Presse. Die letzteren beiden Eigenschaften rühren vom tragischen Verlust ihres Vaters in ihrer Kindheit, den sie immer noch nicht überwunden hat. Um ihrer deprimierenden Umgebung zu entkommen, zog Tuva nach London mit dem Ziel, sich dort als Journalistin einen Namen zu machen. Doch aufgrund der Tatsache, dass der Tod ihres Mannes Tuvas Mutter schwerkrank werden ließ, kam Tuva nicht umhin, ihr exzessives Leben in London aufzugeben und erst einmal wieder zurück nach Schweden zu gehen. Um von der Krankheit ihrer Mutter und dem depressiven Drumherum nicht vollends eingenommen zu werden, zog Tuva nicht nach Karlstad zu ihrer Mutter, sondern in die Kleinstadt Garvik, die wenige Autostunden entfernt von Karlstad liegt. Es fällt Tuva schwer, ihre Mutter zu besuchen, doch nach etwa drei Jahren nach ihrer Rückkehr nach Schweden ergibt sich für Tuva eine praktische Ausrede: Es ereignet sich ein Mord mitten im tiefen, dunklen Utgard-Wald, in dem auch das kleine Dörfchen Mossen versteckt liegt, dessen Einwohner sich höchst merkwürdig verhalten. Der Mord weist deutliche Parallelen zu den „Medusa-Morden“ von vor 25 Jahren auf, deren Täter nie gefasst werden konnte. Hat derselbe Täter wieder zugeschlagen oder handelt es sich hierbei um einen Trittbrettfahrer? Um das herauszufinden und einen journalistischen Durchbruch zu erreichen, muss Tuva in den Wald, um zu recherchieren. Doch genau vor diesem Wald, dieser Natur, hat sie unfassbare Angst … Ob es ihr dennoch gelingen wird oder ob ihr ihre Entschlossenheit oder ihre Gehörlosigkeit noch zum Verhängnis werden …?

Das Taschenbuch beinhaltet 426 Seiten und hat ein aufwendiges Cover, das besonders haptisch veranlagten Leser*innen Freude bereiten wird (die Pfützen, die sich ringsherum ziehen, sind aus einem anderen Material, ganz glatt und glänzend). Für 11,00 Euro bekommt man hier ein ordentliches Buch. Schriftgröße und Schriftart sind gut lesbar, die Kapitel nicht zu lang. Das Ebook kostet sogar nur 3,99 Euro. Ich habe sowohl die Print- als auch die Ebook-Version (mobi) gelesen. Es gab nirgends ein schlechtes Druckbild oder Tippfehler. Allerdings bedient sich der Autor einer etwas seltsamen Sprache. Das zeigt sich zum einen im nicht ganz flüssigen Schreibstil, als auch in einer eigenartigen Wortwahl und in ungewöhnlichen (leider nicht immer passend gewählten) Vergleichen.

Will Dean hat einen Sinn für Humor, den er an gewählten Stellen subtil einfließen lässt. Zudem beschreibt er gerne bildlich, was einen auf der einen Seite schnell tiefer in die Story eintauchen lässt, auf der anderen Seite aber auch zu viele überflüssige Details bietet.

Er schafft es, die skurrilen Dorfbewohner durch ihre jeweils eigene Art zu sprechen noch skurriler wirken zu lassen. Die Atmosphäre, die er schafft, passt gut zu den Örtlichkeiten, die beschrieben werden.

Es ist schwer, aus Sicht der 1. Person zu schreiben, ohne dass es sich nervig liest. In diesem Buch gelingt es dem Autor allerdings größtenteils, die Perspektive gut rüberzubringen.

Es gibt durchaus mehrere Stellen, die sehr spannend beschrieben wurden. Allerdings halten diese immer nur kurz an und haben selten etwas mit der eigentlichen Geschichte zu tun. Will Dean scheint sich gerne in seinen bildhaften, atmosphärischen Beschreibungen zu verlieren. Seine Ausdrucksweise bzw. die der Übersetzerin (leider kann ich die deutsche Ausgabe nicht mit der Originalausgabe vergleichen) war mir an der ein oder anderen Stelle doch zu eigenartig.  Ab und zu wurde auch etwas genannt, dass erst Seiten später erklärt wurde. So wirkte der Aufbau der Geschichte leider nicht gut strukturiert. Die Auflösung des Falles zeichnet sich bereits im zweiten Drittel ab, jedoch ging ich davon aus, dass es so einfach doch nicht sein kann. Das Motiv des Täters fand ich zu billig und zu wenig durchdacht. Des Weiteren bleiben viele Fragen offen (v.a. bezüglich Dinge, die extra genannt wurden, aber am Ende doch irrelevant waren … vermutlich wurden sie rein aus atmosphärischen Gründen genannt).

Ein wenig enttäuscht haben mich auch die „Versprechungen“ auf dem Cover: Nach der Lektüre erscheint mir der Untertitel „Denn das wahre Böse ist lautlos“ nicht besonders passend zur Geschichte. Außerdem geschieht das, was man sich aufgrund des Klappentextes von der Geschichte erwartet, erst ganz am Ende. Trotz ihrer Angst scheint Tuva die meiste Zeit mit dem Wald relativ gut zurecht zu kommen. Ihre Gehörlosigkeit ist aufgrund der intakten Hörgeräte auch kaum ein Problem. „… ein Gegner […], der ihre dunkelsten Ängste übertrifft“ ist leider auch ziemlich übertrieben.

Mein Fazit: Der Schreibstil ist lesbar, die seltsame Ausdrucksweise mal eine interessante Abwechslung und die Geschichte hat ein paar wirklich spannende Stellen. Mit dieser Lektüre macht man nicht viel verkehrt, man sollte allerdings auch nicht zu viel erwarten.