Rezension

Eine Reise in die Vergangenheit

Ein mögliches Leben
von Hannes Köhler

Bewertet mit 5 Sternen

Franz, ein ehemaliger deutscher Soldat während des zweiten Weltkrieges, unternimmt mit seinem Enkel Martin eine Reise nach Amerika, um noch einmal das Lager zu besuchen, wo er als Kriegsgefangener gelebt hat. Er erzählt von seinen Erfahrungen, Freunden, Feinden und seiner Arbeit dort und Martin beginnt langsam, seinen Großvater zu verstehen...

Das Buch ist von mehrern Rückblicken durchzogen, die alle durch Kapitelangaben getrennt werden. In Franz' Rückblicken geht es vor allem um die Kriegsgefangenschaft in den USA, in den Rückblicken seiner Tochter Barbara um die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere die späten 60er- und die 70er-Jahre. Diese Rückblicke werden durch das Geschehen in der Gegenwart verbunden, in denen Franz, Barbara und Martin sich im Laufe des Buches wieder näher kommen. Manchmal fand ich die Zeitsprünge etwas verwirrend, konnte mich dann jedoch schnell wieder ins Geschehen einfinden.

Das Geschehen schien mir zu jeder Zeit sehr authentisch zu sein. Beim Lesen habe ich die Lager der Gefangenen, deren Geruch und den Geschmack der Steine, die Franz sammelt, beinahe selbst wahrnehmen können. Auch bei den Beschreibungen der Landschaft hatte ich ein deutliches Bild vor dem inneren Auge. Dass der Dialekt von ein paar Personen so ausgearbeitet wurde, ließ das Buch noch lebhafter und echter wirken.
Bisher wusste ich nichts von den Kriegsgefangenen in den USA, außer dass die Lager der Amerikaner sehr human waren. Dies hat sich auch bestätigt und es war sehr spannend zu lesen, wie sich die Gefangenen verhalten und noch während des Krieges verändert haben. Immer wieder werden Fragen nach der Schuld der Deutschen offensichtlich und auch dem Leser fällt es schwer, diese im Angesicht der Kriegserlebnisse zu beantworten. Gleichzeitig wird man sich dessen bewusst, dass es auch für die Deutschen schwer ist, mit ihrer Vergangenheit klarzukommen. Dennoch ist es sehr interessant zu sehen, wie viele Deutsche beginnen, liberaler zu werden und ihre eigene Einstellung zum Nationalsozialismus zu überdenken. Als Leser wird man gut durch diese Konflikte geführt und hadert manchmal mit sich, wie man selbst in dieser Situation reagiert hätte.
Dass auch die Nachkriegszeit beleuchtet wurde, hat mir ebenfalls sehr gut gefallen, da dann vor allem die Folgen des Krieges in der Gesellschaft offensichtlich wurden. Man beginnt auch, den Ursprung von Franz' Charakterzügen und somit dessen Handeln zu verstehen.

Ein wirklich tolles und lesenswertes Buch, wenn man sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen möchte!